„Wie eine Brise unter dem Abendhimmel“ – Erfahrungsbericht Retreat 2023 von Teilnehmerin anonym

(Die Autorin des Textes wünscht anonym zu bleiben)

Die Aufforderung, über meine Erfahrungen während des Retreats zu schreiben, kommt mir insofern entgegen, weil mir mitten in einem Prozess immer die treffenden Worte fehlen, und mir erst im Nachhinein vieles klarer wird. Durch die Distanz habe ich Zeit, ein paar Dinge zu korrigieren und zu überlegen, wie ich darüber sprechen möchte. Als Schreibende bin ich eine andere Person als diejenige, die während des Retreats Auskunft gibt. Schriftlich fühle ich mich ein bisschen sicherer als mündlich.

Nach anfänglichen, aus vergangenen Retreats schon vertrauten Reaktionen über einströmende Ereignisse und Situationen, beschloss ich, sie sein zu lassen und sie so zu nehmen, wie sie waren. Sie waren eben da, Punkt! Ich kämpfte nicht mehr dagegen. Ich bemühte mich nicht mehr, ein gutes Bild abzugeben, zu entsprechen oder Dinge zu tun, die angeblich von mir erwartet wurden. Ich strengte mich nicht mehr an; so wie ich fühlte, war es okay. Das war eine unglaubliche Erleichterung für mich, und ich konnte von da an die Töne (das stille Mantra) fokussieren und für sie da sein. Ich erlangte eine tiefe Einsicht und Erkenntnis, die sich so natürlich und selbstverständlich zeigte wie eine Brise unter dem Abendhimmel.

Im Nachhinein betrachtet war diese tiefe Schau das Ergebnis eines Prozesses, auf den ich mich einließ und von dem ich nichts mehr erwartete – weder vom Meister, noch von meinen Glaubenssätzen, noch von meinen Bemühungen um die Einhaltung der Regeln. Stattdessen verließ ich mich ausschließlich auf mein Herz und meine Töne. Leicht und unaufgeregt breitete sich die Erkenntnis aus und erfüllte mein Wesen. Erschreckend klar zeigte sich die Wurzel und ihre Auswüchse bis in die kleinsten Details, sei es in Form von „Zufällen“ oder Begegnungen im Hier und Jetzt. Sie zeigte mir hart und gnadenlos, wie die Dinge wirklich standen. Ich begriff meine Illusionen, denen ich verhaftet war und denen ich immer wieder erlag. Ich fühlte mich durchschaut, war schockiert, fühlte mich nackt und beschämt. Doch gleichzeitig wusste ich, dass es heilsam und gut war.



Kategorien:Erfahrungsberichte/Events/News

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