Anekdote: Die Magie des Beutels des lachenden Buddha

Beim Eintritt in einen buddhistischen Tempel wird man von der lächelnden, wohlgenährten Statue des Maitreya-Buddha mit seinem wuchtigen Bauch begrüßt. Sein unbeschwertes und amüsantes Antlitz zaubert oft ein Lächeln auf die Lippen der Menschen und vertreibt ihre Sorgen. Diese gelassene Erscheinung des Maitreya-Buddha entstammt einem Zen-Meister aus dem 10. Jh. n. Chr. in China – dem Stoffsackmönch.

Stoffsackmönch, mit bürgerlichem Namen Chi Ci und auch bekannt als Chang Ting Zi, entsprang einer unbekannten Herkunft. Berühmt war er für sein Ständchen mit dem großen Bauch und dem Stock, an welchem ein stattlicher Stoffsack baumelte, während er durch die Straßen von Fenghua in der Stadt Mingzhou (heute Ningbo) flanierte. Seine unvorhersehbaren Taten und seine humorvollen Worte brachten oft die Menschen zum Lachen. So folgte ihm stets eine Schar von Kindern, die ihn neckten und spielten. Doch er scherte sich nicht darum, ob er sitzen oder liegen sollte; er bettelte bei den Menschen um alles, was er sah, und stopfte es dann in seinen großen Beutel. Es schien, als ob dieser Beutel alles fassen könnte und dennoch nie voll oder leer wurde.

Der berühmte Zen-Meister Bofu hörte von dem Stoffsackmönch und machte ihm seine Aufwartung, indem er ihn fragte: „Was ist die Essenz der Buddhalehre?“ Der Stoffsackmönch legte seinen Beutel ab und stand mit gefalteten Händen da. Bofu fragte weiter: „Ist das alles? Gibt es noch etwas Höheres?“ Der Stoffsackmönch hob seinen Beutel auf, legte ihn auf den Stock und schritt mit erhobenem Haupt davon.

Jederzeit loslassen und dennoch die Last auf den Schultern tragen zu können, das ist wahre Freiheit und Stärke! Natürlich ist es leichter gesagt als getan. Doch wenn man Gewinn und Verlust, Erfolg und Misserfolg leicht nimmt und ein gelassenes Gemüt bewahrt, werden Glück und Freude nicht fern sein. Die Gestalt des Stoffsackmönchs soll dies versinnbildlichen: Der große Bauch verdaut alle Nöte und Leiden, deshalb kommt das Lachen immer aus dem Herzen. Der Stoffsack kann geschultert werden wie die Verpflichtungen und Aufgaben – aber auch abgelegt werden, wie Sorgen und Lasten.

Aus der Beobachtung, wie ein Bauer die grünen Sämlinge in das Reisfeld setzt, hinterließ der Stoffsackmönch ein Gleichnis mit einem berühmten Zen-Gedicht:

Mit der Hand stecke grüne Sämlinge in das Feld,
Senke den Kopf und sieh den Himmel im Wasser.
Die Sinne klar und rein, das entspricht erst dem Dao,
Rückschritt ist in Wirklichkeit Fortschritt.

Dies beschreibt, wie ein Bauer Sämlinge pflanzt, den Kopf neigt und den blauen Himmel im Wasser erblickt, dabei auch sich selbst betrachtend. Die gewöhnliche Schwäche der Menschen liegt darin, dass sie nur die Fehler der anderen sehen, jedoch nicht die eigenen. Noch schwieriger ist es, den Kopf zu senken und seine eigenen Fehler und Schwächen einzugestehen. Der Himmel im Wasser gleicht einem Spiegel, in dem man sich selbst erkennen kann. Der Spiegel ist dem Geist gleich, und erst wenn „die Sinne klar und rein“ sind, „entspricht das dem Dao“, dem natürlichen Weg.

Ein Bauer setzt die Sämlinge in das Feld, während er sich zurückzieht. Der Fortschritt wird also durch den Rückschritt erzielt. Zurückhaltung ist daher nicht nur passiv, sondern auch aktiv voranschreitend. Ziele müssen nicht immer durch Härte und Stärke erreicht werden. Gelingt es, in strittigen Situationen einen Schritt zurückzugehen, so kann dies oft Wunder bewirken.



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