Das Kind saß auf dem Teppich, eine stille Insel in einem Meer aus Nachmittagslicht. Die Sonne tastete sich durch die Lamellen der Jalousien und zeichnete goldene Streifen auf das Parkett, über die ein kleines, abgegriffenes Holzpferd seinen Weg fand. Es war eine Welt für sich, in sich geschlossen und vollkommen.

In der Küche unterbrach das Klirren eines Tellers die Stille. Die Mutter stand am Spülbecken, in Gedanken verloren, die Hände im warmen Wasser.

„Mama?“, drang eine leise Stimme zu ihr herüber.

Sie hielt inne. „Ja, mein Schatz?“

„Du bist heute schön.“

Die Worte trafen sie nicht laut, aber mit einer unerwarteten Wucht. Sie drehte sich langsam um, das Tropfen vom Geschirr das einzige Geräusch. Ihr Kind blickte sie mit einem ernsten, klaren Blick an, der keine Zweifel zuließ.

„Bin ich das?“, fragte sie leise und spürte, wie sich ein Knoten in ihrer Brust zu lösen begann, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass er da war. Sie trocknete ihre Hände an ihrer Schürze, eine fast automatische Bewegung. „Was macht mich denn heute schön?“

Das Kind neigte den Kopf, als würde es über eine Selbstverständlichkeit nachdenken. Dann fiel sein Blick zurück auf das Holzpferd, das auf der Seite lag.

„Weil du heute gar nicht böse warst.“

Stille.

Die Worte waren keine Anklage. Es war eine Feststellung, rein und klar wie das Sonnenlicht, das den Staub in der Luft tanzen ließ. Und in dieser Stille sah die Mutter nicht nur ihr Kind, sondern auch sich selbst – ein Spiegelbild ihrer eigenen, von Müdigkeit und Sorgen oft getrübten Tage. Ein Stich, nicht schmerzhaft, aber tief.

Ein Windstoß fuhr durchs offene Fenster und ließ die Vorhänge leise rascheln. Er trug den Duft des nahenden Abends mit sich.

Die Mutter sagte nichts. Sie ging zum Teppich, kniete sich neben ihr Kind und strich ihm sanft eine Haarsträhne aus der Stirn. Auf ihrem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus – eines, das die unsichtbaren Falten der Anspannung glättete. Ein Lächeln, das wehmütig und unendlich zärtlich zugleich war, ein stilles Versprechen in den letzten goldenen Stunden des Tages.