
Besprechung buddhistischer Themen anhand auserwählter Pali-Sutten
1. Einleitung
2. Die Flut queren (SN 1.1)
3. Die drei Glaubensstandpunkte (AN 3.61)
4. Die unzulänglichen Ansichten (AN 10.93)
5. Das Gleichnis der Trommel (SN 20.7)
Das Thema des heutigen Beitrags ist die 7. Lehrrede der 20. Samyutta in der Sammlung der thematisch geordneten Lehrreden Buddhas: SN 20.7 „das Gleichnis von der Trommel“, die Ani Sutta
Die Lehrrede setzt mit folgenden Worten Gautamas an seine Bhikkhus ein:
„Einst in der Vergangenheit hatten die Dasarahas eine Kettentrommel, genannt „der Rufer“. Als der „Rufer“ schadhaft wurde, besserten ihn die Dasarahas mit frischen Pflöcken aus. So kam es, dass irgendwann der originale Trommelkasten verschwunden war und eine Ansammlung von Austauschpflöcken vorlag.“
Wer sind die Dasarahas? Einer der vielen kleinen politischen Gemeinschaften im damaligen Gangesgebiet. Und was ist eine Kettentrommel? Eine Trommel, deren Resonanzkörper aus hölzernen Pflöcken zusammengebunden ist. Diese Pflöcke werden mit der Zeit morsch und müssen ersetzt werden. Gautama hat somit ein anschauliches Gleichnis aus dem damaligen gewöhnlichen Alltag genommen. Die Trommel ist noch da und erfüllt ihren Dienst, besteht aber inzwischen vollständig aus „Ersatzteilen“.
„So wird es auch mit den Bhikkhus in der Zukunft sein. Wenn jene vom Tathagatha gesprochenen tiefen, tiefsinnigen, überweltlichen, von der Leerheit handelnden Lehrreden vorgetragen werden, hören sie nicht aufmerksam zu, schenken ihnen kein Gehör, bemühen sich nicht um das Verständnis, lernen sie nicht und prägen sie sich nicht ein. Jenen Lehrreden jedoch, die von Dichtern verfasst sind, Verswerken die schön klingen, von fremder Herkunft, von Nachfolgern anderer gesprochen: denen hören sie aufmerksam zu, schenken ihnen Gehör, bemühen sich um das Verständnis, lernen sie und prägen sie sich ein.“
Mit einer Aufforderung an die Zuhörer, sich um die erste Art Lehrreden zu bemühen und die zweite Art beiseitezulegen schließt unsere kurze Lehrrede auch schon wieder. Die Themengruppe, in der wir sie finden ist die „Gruppe der Gleichnisse“, Opammasamyutta, und besteht aus eben solchen Gleichnissen zu unterschiedlichen Themen. So kurz all diese Lehrreden sind, so bieten sie dennoch reichlich Stoff zum Reflektieren.
Welche Art von Lehrreden wird hier empfohlen? Die Beschreibung passt doch eher auf die Gattung der Prajnaparamita Sutren und weniger nach den Agamas (den Lehrredensammlungen), wie man es in der Gruppierten Sammlung erwarten würde. Dies wäre ein weiterer Hinweis auf eine Einheit der Buddhalehre vor der späteren Trennung in diverse Schulen. Weiters scheint die Unterscheidung hier nicht primär zwischen „echt“ und „erfunden“ gezogen zu werden, sondern eher zwischen „tiefsinnig, aber abschreckend und unpopulär“ und „kunstvoll dargeboten, dem allgemeinen Geschmack entgegenkommend, populär“. Warum ist dies so?
Die Kernaussagen der Buddhalehre wie die edlen Wahrheiten, das Nicht-Ich, die drei Daseinsmerkmale waren nie populär. Beim erstmaligen Kennenlernen dieser Aussagen ist eine instinktive Abwehr ganz natürlich. Das Ego lehnt sich dagegen natürlich auf. Diese Widerstände führten schon zu Gautamas Lebzeiten unweigerlich zum Vorwurf des Nihilismus, und das zieht sich auch durch die ganze Geschichte der Buddhalehre. Es sind immer nur wenige, die sich nach ihrer Veranlagung offen für diese tiefen Themen zeigen.
Andererseits wird ja gesagt, dass die Buddhas ihre Lehre aus Mitgefühl für die Wesen verbreiten. In den Sprachbildern der Lehrredensammlungen „hält der Tathagatha die Faust nicht geschlossen“, das heißt er hält nichts für exklusive Zirkel zurück, er lädt buchstäblich alle zu seiner Lehre ein. Deswegen ist die Zahl der Lehrreden, die andere Bedürfnisse ansprechen und nicht unbedingt „tief, tiefsinnig, überweltlich, von der Leerheit handelnd“ sind, sogar noch größer. Gerade die Sammlung der nummerierten Lehrreden zum Beispiel hat einen Fokus auf das Alltagsleben und auf praktische Ratschläge. Hier klingt der Buddha durchaus populär und verständlich, zumindest für seine damaligen Zeitgenossen.
Die in unserer Lehrrede angesprochene Gefahr ist zum einen eine Verwechslung dieser zwei Gattungen von Lehren. Ein Anzeichen des Untergangs der Buddhalehre ist laut Gautama, dass nicht mehr zwischen absoluter und relativer Wahrheit unterschieden wird. In der Sprache der Lehrreden: Aussagen, die der genauen Erläuterung bedürftig sind und solche, die selbsterklärend sind, werden verwechselt. Das kann nur zu Verwirrung führen.
Zum anderen wird aber explizit vor „Lehrreden, die von Dichtern verfasst sind, Verswerken die schön klingen, von fremder Herkunft, von Nachfolgern anderer gesprochen“ gewarnt. Was hat es damit auf sich? Hier wird immerhin fremde Herkunft, also nichtbuddhistisches in buddhistischen Lehrreden, angesprochen. Sicher ist es so, dass wenn „Nachfolger anderer“ an buddhistischen Texten herum werken, die völlige Korruption nicht mehr fern ist!
Es gilt einfach, die Augen offen zu halten und bezüglich dieser Gefahren auf der Hut zu sein. Denn der Gefahr der Erstarrung und Versteinerung steht die gegenteilige Gefahr des Zerfließens und der Verwässerung gegenüber. In beiden Fällen ist die Lehre des jeweiligen Meisters gleich tot. Denn um das Gleichnis unserer heutigen Lehrrede abschließend noch mal aufzugreifen: Hätten die Dasarahas aus Angst vor Veränderung und übertriebener Ehrfurcht gar keine Holzpflöcke ausgetauscht, so hätten sie eben gar keine Trommel mehr gehabt! So zielgerichtet sind die Gleichnisse Buddhas eben.
(Übersetzung der Zitate auf Basis jener von Nyanatiloka mit Abänderungen vom Autor)
–> Fortsetzung: 6. Kassapa (SN 16)
Kategorien:Palikanon - Nikayas (Agamas)
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