Citta, der Hausvorsteher (SN 41)

Besprechung buddhistischer Themen anhand auserwählter Pali-Sutten

1. Einleitung

2. Die Flut queren (SN 1.1)

3. Die drei Glaubensstandpunkte (AN 3.61)

4. Die unzulänglichen Ansichten (AN 10.93)

5. Das Gleichnis der Trommel (SN 20.7)

6. Kassapa (SN 16)

7. Das Ende der Welt (SN 2.26, AN 4.45)

8.    Citta, der Hausvorsteher (SN 41)

Unser heutiger Beitrag soll anhand des Beispiels des Buddha-Schülers Citta Themen wie die Lebensführung eines Buddhisten, vorzüglich also „Leben in der Welt“ versus „Rückzug von der Welt“ beleuchten. Denn unser Protagonist Citta lebte in großem Reichtum und Einflussreich in der Großstadt Savatthi. War er ein schlechterer Buddhist als die zurückgezogen lebenden Mönche Gautama Buddhas? Dem wollen wir auf den Grund gehen.

Zunächst folgen ein paar Reflexionen zu den Begriffen, die in den Übersetzungen dazu verwendet werden.

● Die eingebürgerte Übersetzung „Mönch“ für „Bhikkhu“ ist nicht so gelungen, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn der Mönch in der Orthodoxie und im Katholizismus sondert sich zwar ab von der Welt und lebt unter seinesgleichen nach den jeweiligen Regeln seines Ordens. Das klingt wie die Bhikkhu-Sangha des Buddha. Doch ist er dem strikten Oberbefehl seiner Kirche unterworfen, welche ja eine durchaus weltliche Machtstruktur ist. Die buddhistischen Bhikkhus bilden im Gegensatz dazu unabhängige Gemeinschaften, die nur ihrer Regel, der Vinaya, verpflichtet sind.

Das indische Wort „Bhikkhu“ hat wörtlich die Bedeutung „wandernder, besitzloser Bettler“. Den Begriff gab es schon vor Gautama Buddha. Wegen dieser ursprünglichen Bedeutung wird in neuerer Zeit Bhikkhu gerne mit „Mendikant“ übersetzt, da dieses lateinische Wort aus dem europäischen Mittelalter eben genau einen umherziehenden und bettelnden Mönch bezeichnete. Hier ist die begriffliche Übereinstimmung also genauer getroffen. Man wird sehen, ob sich diese Übersetzung durchsetzen kann. Es ist zu hoffen.

● Was ist eigentlich das Gegenteil eines Bhikkhus in den buddhistischen Texten? Das ist ja für uns Nichtmönche eine viel näher liegende Frage. Das indische Wort ist Gahapati. In der Überschrift habe ich „Hausvorsteher“ dafür verwendet. Denn ein Gahapati ist eben ein Hausbesitzer, ein Familienoberhaupt, jemand mit einem eigenem Hausstand. Ein „respektables Glied der Gesellschaft“ also, mit den entsprechenden vielen Verpflichtungen. Das ist nicht einfach ein „Nichtmönch“. Dafür gibt es interessanterweise gar kein Wort im Pali.

Eine Frage am Rande: Hatten die Benachteiligten und Habenichtse der altindischen Gesellschaft etwa viel mehr Anreiz, in den Orden einzutreten, wenn sie denn schon Anhänger geworden waren? Weil sie eh nichts zu verlieren bzw. zurückzulassen hatten? Das ist schwer zu sagen, wir wissen heute viel zu wenig über Gautamas damalige Welt.

Aber zurück zur Übersetzung von „Gahapati“. In älteren deutschen Lehrredentexten wurde meistens „Hausvater“ verwendet. Aber klingt das nicht befremdlich im Deutschen? Immerhin versucht es, die beiden Eigenschaften (Hausbesitzer und Familienoberhaupt) zugleich wiederzugeben. Ich persönlich ändere es halt lediglich aus Geschmacksgründen zu „Hausvorsteher“ ab.

Die sehr häufige Übersetzung „Laie“ lehne ich persönlich ganz ab. Ein Laie, das ist heutzutage ein Nichtauskenner, sogar ein Dilettant. Jedenfalls wäre das Gegenteil davon dann ein Fachmann. Und das wären dann folgerichtig die Mönche? Echt jetzt? Da wären wir bei der Vorstellung „nur Mönche sind echte Buddhisten, die anderen sind Stümper, Dilettanten“ gelandet. Und um die Zurückweisung dieser Vorstellung geht es uns als, nun ja: „Laienbewegung“ eben gerade. Seht ihr, wie wertend diese Bezeichnung aussieht, wenn sie so dasteht?

Jedenfalls, wenden wir uns jetzt den Lehrreden mit Hausvorstehern zu! In der Sammlung der verflochtenen Lehrreden Gautama Buddhas (Samyutta Nikaya) trägt die 41. Lehrredengruppe den Titel „Lehrreden mit Citta“ (Cittasamyutta). Gleich darauf folgt die Gruppe 42 „Lehrreden mit Dorfleuten“ ( Gamanisamyutta). Das verspricht uns doch reiche Ausbeute für unser Thema, oder?

In den ersten Lehrreden der Gruppe begegnet Citta, von dem wir zunächst nichts Näheres erfahren, jeweils einer Gruppe von Bhikkhus, und im daraus entstehenden Gespräch erweist sich, dass er ihnen im Verständnis des Dharma voraus ist. Die einzelnen Themen sind tiefgründig und fein, so dass bei ihnen leicht Missverständnisse entstehen können. Um nicht abzuschweifen, gehe ich nicht tiefer darauf ein, jedenfalls sieht man schon, dass Citta die Bhikkhus nicht nur dauernd zum großzügigen Essen zu sich nach Hause einlädt, sondern mit ihnen auch völlig auf Augenhöhe die Buddhalehre bespricht. Er ist keineswegs nur der Fragende, der sich an „die Profis“ wendet.

Ganz am Ende der „ersten Lehrrede mit Kamabhu“ etwa bestätigt der Ehrwürdige Kamabhu:

„Es ist ein Verdienst für dich, es ist ein großer Verdienst für dich, Hausvorsteher, dass du das Auge der Weisheit (Pannachakkhu), das das tiefe Wort des Buddha (Buddhavacana) überschaut, erlangt hast.“

Auffällig bei der ganzen Lehrredengruppe bisher ist, dass Gautama Buddha selbst gar nicht auftritt. Die Gespräche finden zwischen Citta und verschiedenen Bhikkhus statt.

Die nächste Lehrrede „Nigantha Nataputta“ SN 41.8 wollen wir jetzt näher betrachten. Der Titelgeber ist der Gründer der Jainas, eine Religionsgemeinschaft, die es sogar heute noch in Indien gibt. Als Citta erfährt, dass er auf seinen Wanderungen gerade in der Gegend halt gemacht hat, geht er ihn zusammen mit einigen anderen Anhängern Gautamas besuchen. Ein wenig mit der „Konkurrenz“ zu plaudern kann schließlich nie schaden!

Nach dem einleitenden Austausch von Höflichkeiten kommt Nigantha Nataputta gleich einmal zur Sache und fragt den Buddhisten Citta prüfend:

„Hausvorsteher, hast du Vertrauen in den Samanen Gautama, wenn er behauptet, es gäbe Versenkung (Sammlung, Konzentration) ohne Gedanken und Differenzierungen, dass es ein Aufhören von Gedanken und Differenzierungen gäbe?“

Er spricht hier also den meditativen Zustand der Jhana – oder Dhyanastufen an und erhält die Antwort:

„In dieser Sache, verehrter Herr, stütze ich mich nicht auf einen Glauben an den Erhabenen…“

Darauf blickt Nigantha Nataputta stolz zu seiner Anhängerschaft hinüber und ruft ihnen zu:

„Seht, seht, ihr Herren! Wie geradeheraus ist dieser Hausvorsteher Citta! Wie ehrlich und offen! Wer denkt, Gedanken und Differenzierungen können zunichte gemacht werden, könnte genauso glauben, er könne den Wind in einem Netz fangen oder den Lauf des Ganges mit seiner Faust ändern.“

Was geschieht da? Nigantha Nataputta nimmt die Antwort Cittas so auf, als verneine dieser die Möglichkeit, Samadhi zu erreichen. Das freut ihn sehr, denn er selbst schließt die Existenz dieser Versenkungsstufen dogmatisch aus. Deshalb hat er gefragt, und fühlt sich nun bestätigt. Hat Citta seine Antwort auch wirklich so gemeint? Wer ihn in diesem Sinne verstanden hat, war leider zu schnell. Citta stellt jetzt eine Gegenfrage:

„Was hältst du für überlegener, ehrwürdiger Herr: Wissen oder Glauben?“

„Wissen, Hausvorsteher, ist dem Glauben überlegen.“

„Nun, ehrwürdiger Herr, wann immer ich will, zurückgezogen von meinen Sinnen und von unheilsamen Zuständen, trete ich in die erste Versenkungsstufe, welche von Gedanken und Differenzierungen mit aus Abgeschiedenheit geborenem Wohlbefinden und Glück begleitet ist, und verweile darin.

… in die zweite Versenkungsstufe ein, welche mit aus der Einheit des Gemütes geborenem Wohlbefinden und Glück ohne Gedanken und Differenzierungen begleitet ist, und verweile darin.

 … in die dritte Versenkungsstufe ein, welche mit dem Verblassen vom Wohlbefinden und Glück begleitet ist, verweile gleichmütig, achtsam, klarbewusst darin und empfinde ein Glück im Körper, von dem die Edlen sagen, ‚Der gleichmütig Achtsame lebt beglückt.‘

… und in die vierte Versenkungsstufe, indem ich Glück und Schmerz aufgebe, und verweile mit dem Enden früherer Fröhlichkeit und Traurigkeit darin.

Nachdem ich das weiß und sehe: verehrter Herr, in welchen anderen Lehrer oder Meister müsste ich dann ein Vertrauen in Bezug auf die Versenkungsstufen setzen?“

Hoppla, da ist Nigantha Nataputta aber ordentlich falsch gelegen in seiner Voreiligkeit. Denn Citta hat auf seine erste Frage völlig richtig und ehrlich geantwortet, aber Nigantha Nataputta hat halt seine eigene Ansichten gleich selbst mit hineingelegt. Jetzt reagiert er allzu menschlich:

„Seht, seht, ihr Herren! Wie verschlagen dieser Hausvorsteher Citta ist, wie hinterhältig!“

Als Citta jetzt noch mit feiner Zunge darauf hinweist, dass Nigantha Nataputta gerade vor wenigen Sekunden noch das exakte Gegenteil von ihm behauptet hat und daher nach den Gesetzen der Logik er entweder vorher oder jetzt Unsinn gesagt hat, ist es entgültig fertig dessen Geduld und das Gespräch wird abgebrochen.

Warum unser Augenmerk auf gerade dieses Gespräch? Einmal kommt wieder die typisch frühbuddhistische Wertschätzung von Wissen, also selbst erfahren und erleben, gegenüber bloßem Glauben zum Ausdruck. Vor allem aber berichtet ein reicher Nichtmönch wie Citta mit großer Selbstverständlichkeit, dass er die Versenkungsstufen des Samadhi vollständig beherrscht. Das können immerhin bei weitem nicht alle Mönche von sich behaupten.

In der anschließenden Lehrrede, SN 41.9 „Kassapa“ geht es nicht um den großen Schüler Gautama Buddhas, sondern um einen „nackten Asketen“. Das war eine Sekte, die vor allem Kleidung ablehnte und so spirituelle Fortschritte zu erlangen vermeinte. Citta fragt Kassapa ganz nüchtern, was er denn nach langen 30 Jahren dieser Praxis positives berichten kann. Die Antwort:

„In den 30 Jahren Hauslosigkeit, Hausvorsteher, habe ich keinerlei überweltlichen Kenntnisse oder etwas dieser Art erlangt, nur nackt gehen, den Kopf rasieren und Sand wegwischen.“

Sand wegwischen deshalb, weil die guten Leute eben wegen ihrer nackten Hintern immer einen Wedel bei sich hatten, um den Platz im Freien, wo sie sich niedersetzen wollten, zuerst zu säubern. Sonst kann der Sand auf Straßen und Plätzen die Haut am Allerwertesten nämlich mit der Zeit böse wundreiben. Na ja. Was für Fortschritte für 30 Jahre…

Umgekehrt kann Citta auf die Gegenfrage Kassapas nach seinen Errungenschaften in der Nachfolge Gautamas wieder in gleichen Worten wie in unserer vorigen Lehrrede von seiner Meisterung des Samadhi berichten. Wohlgemerkt, und das in seinem gewöhnlichen Weltleben, zu Hause in seiner Stadt, mit Beruf und Familie und in Reichtum. Welch ein Kontrast.

Die letzte Lehrrede in der Citta Samyutta, SN 41.10, handelt von Cittas Tod. Da das ein schöner Abschluss eines ihm ja gewidmeten Beitrags sein mag, sei auch diese Lehrrede noch kurz vorgestellt.

Citta liegt also todkrank in seinem Bett darnieder. Da versammeln sich Gruppen von verschiedenen Devatas (Himmelswesen) um sein Bett und reden auf ihn ein, er möge doch seine Verdiensten in diesem zu Ende gehenden Leben dazu nutzen, als „Raddrehender Monarch“ (eine Gestalt der indischen Mythologie) wiedergeboren zu werden. Er antwortet nur:

„Auch das wäre unbeständig, auch das wäre unstabil, man muss auch so was loslassen und weitergehen.“

Recht witzig beschreibt die Lehrrede dann, wie Cittas Angehörige und Freunde, um sein Bett versammelt, daraufhin glauben, er brabble in Verwirrung, und ihren Sorgen Ausdruck verleihen. Citta erläutert ihnen daraufhin, was seine Worte eben bedeuteten, und nach einem letzten kurzen Vortag zu ihnen über den Buddha und seine Lehre stirbt er dann.

(Übersetzung der Zitate auf Basis jener von Bikkhu Bodhi und Dr. Helmut Hecker mit Abänderungen vom Autor)



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