In einem alten, verfallenen Kloster lebten nur noch ein alter Mönch und sein junger Schüler. Mit jedem kalten Windstoß, der durch die bröckelnden Mauern des Klosters fegte, spürte der Schüler den Niedergang ihrer einst stolzen Heimat. Sie träumten davon, das Kloster wiederaufzubauen, und suchten nach Hilfe bei den Bewohnern des nahegelegenen Dorfes. Doch statt der erhofften Unterstützung schlugen ihnen nur kalte Worte und verächtliche Blicke entgegen.
Der junge Schüler fühlte, wie seine Hoffnung mit jedem Tag mehr verblasste. Eines Abends, als der Wind besonders heftig durch die Ruinen peitschte und das Kloster in Dunkelheit gehüllt war, wandte er sich verzweifelt an seinen Meister. „Meister“, begann er mit leiser, zitternder Stimme, „die Menschen haben kein Vertrauen in uns. Sie sehen uns nicht als Teil ihrer Gemeinschaft. Wie sollen wir jemals unseren Traum verwirklichen, wenn sie uns so wenig unterstützen?“
Der Meister schwieg lange, sein Blick ruhte nachdenklich auf dem flackernden Licht der wenigen verbliebenen Kerzen. Schließlich sagte er: „Komm, leg dich ins Bett.“
Der Schüler folgte dem Meister widerwillig, die Kälte kroch bereits durch die Ritzen in den Wänden. Sie legten sich in ihre Betten, aber die Decken schienen kaum gegen die winterliche Kälte anzukommen. Nach einer Weile fragte der Meister leise: „Ist dir noch kalt?“
„Nein, jetzt nicht mehr“, murmelte der Schüler, überrascht, wie sich die Kälte langsam verzogen hatte. „Jetzt ist es viel wärmer unter der Decke.“
Der Meister nickte. „Was meinst du, hat die Decke dich gewärmt, oder hast du die Decke gewärmt?“
„Ich habe die Decke gewärmt“, antwortete der Schüler nachdenklich. „Es war anfangs kalt, aber dann wurde es langsam warm.“
„Genau“ sagte der Meister. „Und warum brauchen wir die Decke, wenn sie erst von uns gewärmt werden muss?“
Der Schüler überlegte. „Weil die Decke die Wärme speichert und sie nach und nach an uns zurückgibt. Sie hält uns warm, selbst wenn die Kälte von draußen eindringt.“
Der Meister lächelte in der Dunkelheit. „Vergleiche nun unsere Mitmenschen mit dieser Decke. Am Anfang mögen sie kalt und abweisend sein. Doch wenn wir ihnen mit Geduld und Güte begegnen, werden sie diese Wärme in sich aufnehmen. Eines Tages werden sie uns diese Wärme zurückgeben – vielleicht nicht sofort, aber mit der Zeit. So wie die Decke dich jetzt wärmt, werden auch die Menschen uns eines Tages unterstützen. Und dann wird unser Traum Wirklichkeit.“
Der Schüler schwieg eine Weile und ließ die Worte seines Meisters auf sich wirken. Er verstand nun, dass Geduld und beständiges Geben der Schlüssel waren, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen.
Von diesem Tag an begegnete der Schüler jedem im Dorf mit einem freundlichen Lächeln, mit Hilfsbereitschaft und unermüdlicher Geduld. Die Dorfbewohner bemerkten seine Beständigkeit, und nach und nach begannen sie, ihm zu vertrauen. Die kalten Blicke wichen einem anerkennenden Nicken, und die Worte wurden wärmer. Die Menschen kamen schließlich nicht nur mit Spenden, sondern auch mit Respekt und Dankbarkeit.
Das Kloster erwachte langsam zu neuem Leben, und der Schüler, der einst voller Zweifel war, wurde schließlich der Abt dieses Ortes. Er führte das Kloster mit der gleichen Geduld und Güte, die er von seinem Meister gelernt hatte. Der Traum, der einst so fern schien, wurde nicht nur für ihn, sondern für die ganze Gemeinschaft Wirklichkeit.
Kategorien:Anekdoten

Sehr schöne und lehrreiche Anekdote. Danke.
Danke für deine Befürwortung und Motivation 🙏