Anekdote: Der Traum des Schmetterlings

Einst, in einer Nacht von seltener Stille, sank Zhuang Zhou in tiefen Schlaf. Und in diesem Schlummer geschah es – er wurde ein Schmetterling. Nicht im Geist allein, sondern mit Flügeln von leuchtender Zartheit, getragen von einem sanften Wind, tanzte er über Felder und Blumen hinweg. Keine Sorgen, keine Gedanken banden ihn an das Irdische. Er kannte keine Philosophie, keine Namen, keine Zweifel – er war einfach ein Schmetterling, frei und vollkommener Leichtigkeit.

Doch plötzlich – ein Ruck! Die Welt verzog sich, und mit einem Mal fand er sich zurück in seinem Körper, zurück in seinem Bett. Noch spürte er das Flattern der Flügel, das Gefühl des Schwebens. Aber er war nicht mehr der Schmetterling. Er war wieder Zhuang Zhou.

Verwirrt richtete er sich auf. Was war geschehen? War er Zhuang Zhou gewesen, der geträumt hatte, ein Schmetterling zu sein? Oder war er ein Schmetterling, der nun davon träumte, Zhuang Zhou zu sein?

Er blickte hinaus in die Nacht, in der die Welt still und unergründlich lag. Da wurde ihm klar: Die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Mensch und Natur, zwischen Sein und Nichtsein – sie war dünner, als es schien. Was, wenn alles im Leben nur eine Wandlung war, eine fließende Verwandlung von einer Form in die nächste?

So lächelte Zhuang Zhou in die Dunkelheit und erkannte die Wahrheit, die jenseits aller Worte lag.

(Zhuang Zi, Inneres Kapitel: Die Gleichheit der Dinge 《莊子·內篇·齊物論》)



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