Beitragsreihe: Wie kam der Buddhismus nach China?
Kap. 1: Die Anfänge der chinesischen Philosophien und Religionen
Kap. 2: Die Durchsetzung des Buddhismus in der Wei- und Jin-Zeit (220-420 n. Chr.)
Kap. 3: Die Ausgestaltung des chinesischen Buddhismus in den Nord-Süd-Dynastien (420-589 n. chr.)
Teil 15: Lankavatarasutra über das wirkliche Bewusstsein (1)

Nun kommen wir zu dem, was Gunabhadra als „wirkliches Bewusstsein“ übersetzt hat. Bevor wir zum Zitat kommen, ist zu erwähnen, dass in den Übersetzungen von Bodhiruci und Siksananda dieser Begriff nicht vorkommt. Bei ihnen gibt es an dieser Stelle nur das manifestierende und das differenzierende Bewusstsein. Was der Grund für diesen Unterschied ist, ist nicht klar. Wir lassen diesen Unterschied mal beiseite und schauen uns Gunabhadras Übersetzung weiter an:
Mahamati! Wenn alles Unwirkliche und Trügerische, welches das wirkliche Bewusstsein verdeckt, erlöschen würde, erlöschen auch alle grundlegenden Bewusstseine. Das heißt das Erlöschen der Erscheinungsformen.[1]
In den Übersetzungen von Bodhiruci und Siksananda steht hier anstelle von „wirklichem Bewusstsein“ das „Alayabewusstsein (Speicherbewusstsein)“. Allerdings ist dieses bei ihnen nicht von „Unwirklichen und Trügerischen verdeckt“, sondern es ist selbst „trügerisch differenzierend“ und „von Gewohnheitszügen geprägt“. Alaya hat die Bedeutung von „Sammeln, Speichern“, Alayabewusstsein bezeichnet nur die Funktion der Ansammlung und Speicherung von geistigen Prägungen. Gunabhadra hat höchstwahrscheinlich „Alayabewusstsein“ als „wirkliches Bewusstsein“ interpretierend übersetzt. Er hat also den Bewusstseinszustand im Sinn gehabt, wenn alles Gespeicherte, was hier als „alles Unwirkliche und Trügerische“ bezeichnet sind, erloschen sind.
„Alles Unwirkliche und Trügerische“ sind Ursachen für das manifestierende und das die Objekte differenzierende Bewusstsein. Wenn diese Ursachen erlöschen, dann erlöschen auch diese Bewusstseine. Die Erscheinungsformen der Transformation und Prägung kommen dann zu Ende. Das ist was zu Beginn des Zitates mit dem „Entstehen, Verweilen und Vergehen durch Erscheinungsformen“ gemeint ist. Es heißt aber, dass die Bewusstseine durch „Kontinuität und Erscheinungsformen entstehen, verweilen und vergehen“. Wenn die Grundlagen der Erscheinungsformen zu Ende gehen, was ist dann mit der Kontinuität des Bewusstseins? Kommt dieses damit auch zu Ende? Darauf geht das Zitat schlussfolgernd ein:
Mahamati! Das Erlöschen der Kontinuität ergibt sich durch das Erlöschen der Ursache der Kontinuität. Wenn das, woran sie sich anklammert und womit sie verflechtet ist, erlöscht, dann erlöscht die Kontinuität. Mahamati! Warum ist das so? Weil sie von dem abhängig ist, was man die Prägung durch die illusionären Gedanken seit anfangloser Zeit nennt. Sie ist verflechtet mit dem, was man die im Geiste manifestierten illusionären Bewusstseinszustände nennt.[2]
Die Ursache der Kontinuität ist die ständige Bedingungsabfolge von manifestierendem und dem die Objekte differenzierendem Bewusstsein samt den Sinnesbewusstseinen. Diese Abfolge entsteht durch Anklammerung an die Prägung durch die differenzierten und die Verflechtung mit den manifestierten Gedanken oder Bewusstseinszustände, beides sind illusionäre Erscheinungsformen. Wenn diese Anklammerung und Verflechtung aufhören, dann hört auch die Prägung auf, was somit die Ursache der Kontinuität des manifestierenden und des die Objekte differenzierenden Bewusstseins beendet. Das ist das Entstehen, Verweilen und Vergehen durch Kontinuität. Was ist aber mit der Erscheinungsform der Wirklichkeit und dem wirklichen Bewusstsein?
–> Fortsetzung: Teil 15: Das Lankavatara Sutra über das wirkliche Bewusstsein (2)
[1] 大慧!若覆彼真識種種不實諸虛妄滅,則一切根識滅。大慧!是名相滅。——《楞伽阿跋多羅寶經卷第一》求那跋陀羅譯
[2] 大慧!相續滅者,相續所因滅,則相續滅,所從滅及所緣滅,則相續滅。大慧!所以者何?是其所依故。依者,謂無始妄想薰。緣者,謂自心見等識境妄想。——《楞伽阿跋多羅寶經卷第一》求那跋陀羅譯
(Beiträge mit Korrekturen von Ursula Presslauer, Birgit Seissl, Florian Feld, Pascal Hauser, Jörg Hollenstein, Alexander Maurer und Rolland Parth)
Kategorien:Buddhismus China, Lankavatarasutra
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