Beitragsreihe: Wie kam der Buddhismus nach China?
Kap. 1: Die Anfänge der chinesischen Philosophien und Religionen
Kap. 2: Die Durchsetzung des Buddhismus in der Wei- und Jin-Zeit (220-420 n. Chr.)
Kap. 3: Die Ausgestaltung des chinesischen Buddhismus in den Nord-Süd-Dynastien (420-589 n. chr.)
Teil 16: Lankavatarasutra über die acht Bewusstseine (3)

… Um die Buddhaessenz oder das Alayabewusstsein in Bezug auf die anderen sieben Bewusstseine zu verstehen, ist es hilfreich, die anschließende Erklärung ihrer Funktionen oder Wirkungsweisen zu lesen:
Mahamati! Der Körper der fünf Sinnesbewusstseine, das Herz, der Geist und das Gedankenbewusstsein sind miteinander verbunden. Die heilsamen und unheilsamen Formen/Merkmale wechseln sich ab, unterscheiden sich und fließen kontinuierlich fort. Der Körper, der ohne Entstehen ist, entsteht: das Entstehen ist gleich dem Vergehen. Ohne die Manifestationen des Geistes zu bemerken, erscheint alles unbemerkt nacheinander, und die anderen Bewusstseine entstehen. Sie registrieren die unterschiedlichen Formen und Merkmale, und das Gedankenbewusstsein entsteht gemeinsam mit dem Körper der fünf Sinnesbewusstseine. Sie verweilen keinen Augenblick, und man nennt dies den Augenblick.[1]
Der Text beschreibt die zuvor erwähnten Unterschiede zwischen den gewöhnlichen, unweisen und den edlen und weisen Wesen. Gewöhnliche Wesen bemerken nicht den Prozess der Manifestation des Geistes und der Bewusstseine und können die unterschiedlichen Formen und Merkmale nicht unterscheiden. Sie erkennen nicht, dass die festgefahrenen Gewohnheitszüge, die zusammen mit den sieben Bewusstseinen entstehen, die Ursache für die manifestierten Formen und Merkmale sowie für die fünf Ansammlungen (Skandhas) sind. Stattdessen haften sie an den Trugvorstellungen. Diese entstehen und vergehen ohne Unterbrechung von Augenblick zu Augenblick. Obwohl all diese Bewusstseine nicht von Dauer sind und immer nur für ein Augenblick existieren, erkennen die gewöhnlichen Wesen nicht, dass die Bewusstseine, bereits beim Entstehen wie vergangen sind. Die Anhaftung an diese unbeständigen Phänomene führt zwangsläufig zu Dukkha (Leiden, Unzulänglichkeit). Das Zitat fährt fort:
Mahamati! Der Augenblick wird als das Speicherbewusstsein bezeichnet. Dieser Augenblick ist von [befleckten] Gewohnheitszügen/Prägungen und den Bewusstseinen begleitet, die gemeinsam mit dem Geist des Tathagatagarbha entstehen. Die ausflusslosen (unbefleckten) Gewohnheitszüge sind keine Augenblicke und können von den gewöhnlichen und unweisen Wesen nicht wahrgenommen werden. Da sie an die verblendeten Vorstellungen des Augenblicks festhalten, erkennen sie nicht, dass alle Phänomene in Wirklichkeit keine Augenblicke sind. Sie zerstören die unbedingten Phänomene durch ihre Sicht der Unterbrechung.[2]
Nach einem Vergleich mit den beiden anderen zwei Übersetzungen lässt sich dieses Zitat wie folgt erklären: Das Speicherbewusstsein oder die Buddhaessenz manifestiert aufgrund der angesammelten Prägungen die Bewusstseine. Es gibt sowohl befleckte, ausfließende als auch nicht befleckte, ausflusslosen Prägungen. Erstere werden als „leer“ beschrieben, da sie nicht von Dauer sind und augenblicklich vergehen. Letztere hingegen sind nicht „leer“, da sie weder entstehen noch vergehen, und werden als die unbedingten Phänomene bezeichnet. Diejenigen, die alles als augenblicklich vergänglich betrachten, behaupten, dass auch die Buddhaessenz augenblicklich vergänglich sei und es daher keine beständige Buddhanatur geben könne. Diese Ansicht wird hier als falsch dargestellt und als „die Sicht der Unterbrechung“ bezeichnet, was als Nihilismus oder Vernichtungsglaube zu interpretieren ist.[3] Dies unterscheidet den Zustand der gewöhnlichen, unweisen Wesen von dem der edlen, weisen. Wie bereits erwähnt, kultivieren die Letzteren das Wohlempfinden der Versenkung/Geistessammlung (Samadhi) und verweilen im glückseligen Zustand der Samadhi, der als die heilsamen, ausflusslosen (unbefleckten) [Phänomene] der Edlen und Weisen bezeichnet wird. Der Text erklärt dies weiter:
Mahamati! Die sieben Bewusstseine fließen nicht und wandern nicht; sie erfahren weder Leid noch Freud, und sie sind nicht die Ursache für Nirvana. Mahamati! Das Tathagatagarbha erfährt Leid und Freud und birgt die Ursache für das Entstehen und Vergehen. Von den vier Verweilungsgründen und dem Verweilungsgrund der Unwissenheit betäubt, erkennen gewöhnliche und unweise Wesen nicht, wie trügerische Gedanken von einem Augenblick zum nächsten wechseln.[4]
Dieser Text ist dem folgenden Zitat aus dem Srimala Sutra ähnlich:
Ohne die Buddhaessenz würde man nicht die Leidenschaften verabscheuen und das Nirvana suchen. Warum ist das so? Weil die sechs Sinnesbewusstseine und das Wissen der mentalen Phänomene für keinen Moment anhalten. Diese Sieben entstehen und vergehen augenblicklich. Daher kann bei diesen kein Leiden gesät werden. Dann kann man auch keine Leidenschaften verabscheuen und das Nirvana suchen. Die Buddhaessenz ist ohne Beginn, ohne Entstehen und Vergehen, daher können allerlei Leiden gesät werden. Dann kann man auch die Leidenschaften verabscheuen und das Nirvana suchen.[5]
Im Srimala Sutra wurden Begriffe wie „Alaya“ und „Manas“ noch nicht verwendet, aber es gilt als das älteste bekannte Sutra, das einen siebten Bereich des Bewusstseins in Betracht zieht. Die Aussage entspricht genau dem oben zitierten Abschnitt des Lankavatara Sutra. Die Buddhaessenz sollte daher nicht als augenblicklich vergänglich betrachtet werden; sie ist ohne Anfang und Ende. Sie bildet jedoch auch die Grundlage fürs Entstehen und Vergehen, insbesondere wenn sie durch „die vier Verweilungsgründe und den Verweilungsgrund der Unwissenheit“ beeinträchtigt wird.
Die vier Verweilungsgründe und der Grund der Unwissenheit sind Begriffe aus dem Srimala Sutra. Hier zeigt sich eine immer deutlichere Verbindung zwischen den beiden Sutras. Diese fünf Verweilungsgründe bilden die Grundlage und die Bedingungen für das Verweilen und das Entstehen aller Arten von Geistesverunreinigungen in allen Bereichen des Daseins: Anhaftung an Begierde, Formen, Formlosigkeit und alle falschen Ansichten, die aufgrund der Anhaftung an die verschiedenen Bereiche des Daseins (formlos, formhaft, begierdehaft) entstehen. Sie werden Verweilungsgründe genannt, da die Wesen aufgrund ihrer getrübten Sicht und Geisteszustände in den Bereichen des Samsara verweilen und im Kreislauf der Wiedergeburten gefangen sind.
In den anderen beiden Übersetzungen wird anstatt der „vier Verweilungsgründe“ von den „vier Prägungen“ gesprochen. Diese Betäubung oder Trübung des Geistes sind die Ursache für die „Sicht der Unterbrechung“. Wenn die Grundlage oder die Natur aller Phänomene augenblicklich unterbrochen und beendet werden kann, dann kann man nicht die Leiden verabscheuen und das Nirvana suchen. Das Augenblicklich-Vergängliche, d.h. die sieben sich ständig verändernden Bewusstseine, kann daher nicht die Bedingung für das Nirvana sein. Stattdessen sind es die unbefleckten, ausflusslosen Phänomene im Zustand der Samadhi. Diese Phänomene entspringen genauso wie die befleckten der Buddhaessenz oder dem Speicherbewusstsein.
–> Fortsetzung folgt
[1] 大慧!五識身者,心、意、意識俱。善不善相,展轉變壞,相續流注。不壞身生,亦生亦滅。不覺自心現,次第滅餘識生。形相差別攝受,意識五識,俱相應生,剎那時不住,名為剎那。——《楞伽阿跋多羅寶經卷第四 一切佛語心品之四》
[2] 大慧!剎那者,名識藏,如來藏意俱生識習氣剎那。無漏習氣非剎那,非凡愚所覺。計著剎那論故,不覺一切法剎那非剎那,以斷見壞無為法。——《楞伽阿跋多羅寶經卷第四 一切佛語心品之四》
[3] 大慧!言剎尼迦者,名之為空,阿梨耶識名如來藏,無共意轉識熏習故名為空,具足無漏熏習法故,名為不空。大慧!愚癡凡夫不覺不知,執著諸法剎那不住,墮在邪見而作是言,無漏之法亦剎那不住;破彼真如如來藏故。——《入楞伽經 剎那品第十四》菩提留支; 大慧!如來藏名藏識,所與意等諸習氣俱是剎那法,無漏習氣非剎那法,此非凡愚剎那論者之所能知。彼不能知一切諸法有是剎那非剎那故,彼計無為同諸法壞,墮於斷見。——《大乘入楞伽經 剎那品第六》 實叉難陀
[4] 大慧!七識不流轉,不受苦樂,非涅槃因。大慧!如來藏者,受苦樂與因俱,若生若滅。四住地、無明住地所醉。凡愚不覺,剎那見妄想勳心。——《楞伽阿跋多羅寶經卷第四 一切佛語心品之四》
[5]世尊,若无如来藏者,不得厌苦乐求涅槃。何以故?于此六识及心法智,此七法刹那不住,不种众苦,不得厌苦乐求涅槃。世尊,如来藏者,无前际不起不灭法,种诸苦得厌苦乐求涅槃。——《胜鬘狮子吼一乘大方便方广经∙自性清淨章第十三》
(Beiträge mit Korrekturen von Ursula Presslauer, Birgit Seissl, Florian Feld, Pascal Hauser, Jörg Hollenstein, Alexander Maurer und Rolland Parth)
Kategorien:Buddhismus China, Lankavatarasutra
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