
Am Ufer des endlosen Meeres lebte ein junger Mann, dessen Herz den Möwen gehörte. Jeden Morgen, wenn die ersten Sonnenstrahlen das Wasser vergoldeten, trat er hinaus auf den feuchten Sand. Die Möwen, leicht wie tanzende Blätter im Wind, stiegen aus den Wellen auf und umkreisten ihn. Sie kannten ihn. Sie fürchteten ihn nicht. In ihrem Spiel mit ihm gab es keine Forderung, kein Verlangen – nur den lautlosen Einklang von Mensch und Natur.
Eines Tages sprach sein Vater zu ihm: „Man sagt, die Möwen suchen dich auf wie einen der Ihren. Bring mir eine, damit ich sie betrachten kann.“
Am nächsten Morgen stand der junge Mann wieder am Meer. Doch die Möwen kamen nicht. Hoch über ihm zogen sie ihre Kreise, fern, wachsam, als hätten sie eine unsichtbare Grenze gezogen. Der Wind war derselbe, das Licht war dasselbe – nur das Herz des Mannes hatte sich verändert.
Ob die Möwen seine Absicht wirklich spürten, spielt keine Rolle. Denn in Wahrheit war es nicht ihr Wesen, das sich gewandelt hatte – es war das seine. Ein einziger Gedanke hatte die unsichtbare Harmonie gestört. Die Welt antwortet nicht auf Worte, sondern auf das, was im Herzen verborgen liegt.
Der Weise lebt darum ohne Forderung, ohne Berechnung. Er sucht nicht, und darum wird er gefunden. Er hält nicht fest, und darum bleibt ihm alles nahe. So wie der Wind, der frei weht und doch überall ist, so wie das Meer, das nichts besitzt und doch alles in sich trägt.
Kategorien:Anekdoten
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