Vasubandhus Abhandlung und die Dilun Schule

Bronzestatue Maitreya Buddha aus der Nördlichen Wei-Dynastie (5.-6.Jh. n. Chr.)

Beitragsreihe: Wie kam der Buddhismus nach China?

Kap. 1: Die Anfänge der chinesischen Philosophien und Religionen

Kap. 2: Die Durchsetzung des Buddhismus in der Wei- und Jin-Zeit (220-420 n. Chr.)

Kap. 3: Die Ausgestaltung des chinesischen Buddhismus in den Nord-Süd-Dynastien (420-589 n. chr.)

Link zu vorherigen Beiträgen


Teil 18: Die Schule der Abhandlung zum Zehn-Stufen-Sutra und der Bodhisattvaweg

18-1: Einleitung

18-2: Über das Zehn-Stufen-Sutra

18-3: Vasubandhus Abhandlung und die Dilun Schule

Die anfängliche Zuneigung der chinesischen buddhistischen Schulen zur Mahayana-Lehre, die durch deren Übereinstimmung mit der daoistischen Philosophie begünstigt wurde (siehe Beiträge: „Die Lehre des Mystischen“), entwickelte sich mit der Übersetzung zahlreicher buddhistischer Schriften durch authentische Übersetzer aus Indien und Zentralasien hin zur Eigenständigkeit in der Interpretation ihrer Lehren. Die Übersetzung von Vasubandhus Abhandlung zum Zehn-Stufen-Sutra stellte einen weiteren wichtigen Meilenstein in dieser Entwicklung dar. Die Verbindung von Vasubandhus Interpretation des Zehn-Stufen-Sutra mit der darauf aufbauenden Huayan-Philosophie trug dazu bei, das Verständnis des Mahayana-Buddhismus in China auf eine neue Ebene zu heben, und ebnete den Weg für umfassendere Synthesen buddhistischen Denkens. Dadurch wurde die Grundlage für Schulen geschaffen, die sich tiefgehend mit den Stufen des Bodhisattva-Weges und der Natur der Buddhaschaft auseinandersetzten.

Aus dem Übersetzungsteam der Abhandlung zum Zehn-Stufen-Sutra entwickelte sich zunächst die Dilun-Schule, was wörtlich „Schule der Abhandlung zum Zehn-Stufen-Sutra (Chin.: 地論宗 dilun zong)“ bedeutet. Ihre Vertreter werden als „Meister der Zehn-Stufen-Abhandlung 地論師 di lun shi“ bezeichnet.  Sie legten den Grundstein für die spätere Huayan-Schule (Chin.: 華嚴宗 huayan zong), der Schule des Avatamsaka-Sutra, die zu einer der wichtigsten philosophischen Strömungen im chinesischen Buddhismus wurde. Die Übersetzungsarbeit fand ab 508 n. Chr. in Luoyang 洛阳, der Hauptstadt der nördlichen Wei-Dynastie (386-534 n. Chr.), statt. Das Übersetzungsteam wurde von Bodhiruci 菩提流支, Ratnamati 勒那摩提 und Buddhasanta 伏陀扇多 geleitet. Das Projekt erfolgte im Auftrag des Kaisers und wurde von hochrangigen Beamten und Gelehrten der Nördlichen Wei-Dynastie unterstützt.

Im Vorwort des übersetzten Werkes beschrieb der Gelehrte und Beamte Cui Guang 崔光 (451-523), der im Auftrag des Kaisers die Übersetzungsarbeit betreute, das Geschehen wie folgt:

Im ersten Jahr der Ära des „Ewigen Friedens“, im vierten Monat, beauftragte der Kaiser der Nördlichen Wei-Dynastie die „Meister der drei Lehrredensammlungen“:

den Mönch Bodhiruci, auch bekannt als Dao Xi im Reich Wei,
und Ratnamati, ebenfalls bekannt als Bao Yi im Reich Wei,
– sowie den Übersetzer und Mönch Buddhasanta aus Nordindien,

zusammen mit mehr als zehn Gelehrten, diesen Kommentar zu übersetzen.

Im ‚Purpurhof des höchsten Palastes‘ hielten sie alle die Sanskrit-Texte in ihren Händen, chanteten und lernten sie auswendig. Auf dieser Art entstand ein Werk von mehr als zehn Bänden. Im ersten Sommer nach vier Jahren wurde die Übersetzung abgeschlossen. [1]

Der hier erwähnte Kaiser ist Yuan Ke 元恪 (483-515 n. Chr.) mit dem Titel Xuanwu 宣武, was „der mächtige Krieger“ bedeutet. Er war ein frommer Buddhist und förderte den Buddhismus aktiv. Die Zeitrechnung im alten China richtete sich nach der Regierungszeit des Kaisers. Mit jedem Thronwechsel änderte sich auch die Bezeichnung der Ära. Manche Kaiser führten sogar zu Lebzeiten mehrfach eine neue Ärenbezeichnung ein, um einen Wandel des Zeitgeistes oder göttlichen Segens zu markieren. Unter Kaiser Xuanwu trug die Ära den Namen ‚Yongping‘, was ‚Ewiger Frieden‘ bedeutete.

Buddhistische Mönche, die die Tripitaka (drei Sammlungen buddhistischer Schriften) meistern, werden als „Meister der drei Lehrredensammlungen“ verehrt. Diese Titel sind ein Zeichen größter Ehrfurcht und Anerkennung innerhalb der buddhistischen Gemeinschaft. Aus dem Kontext ist herauszulesen, dass von den drei Übersetzern Bodhiruci, Ratnamati und Buddhasanta, alle drei aus Indien stammend, nur die ersten zwei mit diesem Titel geehrt wurde. Bodhiruci und Ratnamati wurden schließlich auch die Gründer der Schule der Abhandlung zum Zehn-Stufen-Sutra.

Interessant ist auch die Art und Weise, wie sie die Übersetzungsarbeit gestalteten: Sie chanteten gemeinsam das Sutra und lernten den Text auswendig. Dies ist eine traditionelle Praxis aus Indien. Die melodische Rezitation fördert die meditative Konzentration und das Verständnis der Texte. Dies war eine essenzielle Methode zur Bewahrung dieser Schriften, insbesondere in Zeiten, in denen schriftliche Aufzeichnungen rar und kostbar waren. Diese alte Praxis der indischen Mönche erlebte in China eine Neuentwicklung: das indische Chanting wurde mit chinesischen Musikelementen ergänzt. Daraus entwickelte sich das chinesische Fanbei 梵唄, wörtlich „Gesang zu Sanskrit-Texten“.

Gemäss Cui Guangs Vorwort dauerte die Übersetzungsarbeit vier Jahre und wurde im Sommer 512 abgeschlossen. Diese chinesische Version der Abhandlung zum Zehn-Stufen-Sutra soll mehr als 10 Bänden geworden sein. Das chinesische Wort 卷 für ‚Band‘ bedeutet wörtlich ‚Rolle‘ und ist auch als ‚Buch‘ oder ‚Kapitel‘ zu verstehen. Wir kennen das Werk heutzutage bestehend aus 10 Kapitel, wobei das erste Kapitel zur ‚Stufe der Freude‘ in drei Teile gegliedert ist. Somit sind es in Summe 13 Kapitel, die mehr als 100.000 chinesische Schriftzeichen enthalten.


Fortsetzung folgt: Eine Einführung in die Abhandlung zum Zehn-Stufen-Sutra –>

<– Über das Zehn-Stufen-Sutra


[1] 大魏皇帝……以永平元年歲次玄枵四月上日,命三藏法師北天竺菩提流支,魏云道希,中天竺勒那摩提,魏云寶意,及傳譯沙門北天竺伏陀扇多,并義學緇儒一十餘人,在太極紫庭譯出斯論十有餘卷。……皆手執梵文口自敷唱,片辭隻說、辯詣蔑遺,……四年首夏翻譯周訖,。——《十地經論序 侍中崔光製》


Lektorat: Ursula Presslauer, Birgit Seissl, Florian Feld, Pascal Hauser, Jörg Hollenstein, Alexander Maurer, Roland Parth

Korrekturen mit Unterstützung von ChatGPT (OpenAI)



Kategorien:Abahndlung zum Zehn-Stufen-Sutra, Buddhismus China

Schlagwörter:, , , , , , , , , , ,

Hinterlasse einen Kommentar