——Beitragsreihe: Die Koans zur Geschichte des Zen-Buddhismus
Die zen- oder chan-buddhistischen Mönche in China lebten zu jener Zeit, also im 8. Jh. n. Chr., häufig in den Klöstern der Mönche der buddhistischen Regelschule, die sich streng an die Mönchsregeln gemäß den Schriften aus Indien hielten. Konfliktsituationen waren unvermeidbar, da die Zen- oder Chan-Lehre eine viel flexiblere Haltung gegenüber diesen Regeln einnahm. Die Situation änderte sich mit Mazu Daoyi (709–788), wörtlich „Der Ahnlehrer Ma, die Dao-Einheit“. Mit ihm entstanden eigenständige Klöster für die Zen- oder Chan-Praktizierenden. Damit entwickelten sich neue Organisationsstrukturen, die neue Regeln erforderten. Maßgeblich für die Festlegung dieser Regeln war Mazus Schüler und Nachfolger – Baizhang Huaihai (749–814), wörtlich „Der Großmütige vom Erhabenen Felsen“. Diese neuen Klöster mit ihren Strukturen und Regeln prägten die weitere Entwicklung der buddhistischen Klöster in China tiefgründig. Ein besonderes Merkmal dieser Regeln war, dass Mönche nicht mehr von Almosen gemäß den indischen Mönchsregeln lebten, sondern selbst Felder bebauten und sich selbst versorgten. Ein bekannter Spruch von dem Erhabenen Felsen lautete: „Ein Tag ohne Arbeit, ein Tag ohne Essen.“ Der Erhabene Felsen ging mit gutem Vorbild voran und arbeitete sogar trotz Krankheit im Feld. Trotz der Neuordnung setzte Der Erhabene Felsen die unkonventionelle, aber kraftvolle und kreative Lehrmethode seines Lehrers fort. Eines der charakteristischen Beispiele ist das Koan zwischen ihm und seinem Schüler Huangbo Xiyun (?–850) wörtlich „Seltenes Glück vom Korkbaumberg“. Nennen wir ihn vereinfacht „Korkbaumberg“.
Korkbaumberg stammte aus Lingnan, den Regionen südlich der fünf Gebirge, die die südlichen Provinzen Guangdong und Guangxi vom Zentralchina trennen. Er wurde in jungen Jahren zum Mönch ordiniert. Aufgrund seines außergewöhnlichen Talents empfahl man ihm, den Ahnlehrer Ma aufzusuchen. Als er beim Sitz von Ahnlehrer Ma ankam, war dieser jedoch kürzlich verstorben. Korkbaumberg begab sich zum Stupa vom Ahnlehrers Ma, um ihm seine Ehre zu erweisen. Dort traf er den Erhabenen Felsen.
„Woher kommst du?“ fragte ihn der Erhabene Felsen.
„Aus Lingnan,“ antwortete der Korkbaumberg.
„Was suchst du hier?“
„Nichts anderes,“ Korkbaum verbeugte sich rituell, „ich bitte um Einweisung in die Lehre des Ahnlehrers.“
Eine lange Weile verging. (Dieser Satz kommt in mehreren Koans vor.)
„Lass dies nicht zum Abbruch kommen!“ sagte der Korkbaumberg.
„Man kann von dir behaupten, dass du jemand wirst,“ sagte der Erhabene Felsen und ging in sein Gemach.
Der Korkbaumberg folgte ihm und sagte: „Ich bin extra deswegen gekommen.“
„Dann enttäusche mich künftig nicht,“ antwortete der Erhabene Felsen.[1]
Korkbaumberg blieb zunächst beim Erhabenen Felsen, der später am Daxiong-Berg residierte. Da der Berg einen steilen Felsen aufwies, nannte man ihn „Vom Erhabenen Felsen“. Interessierte Schüler strömten von allen Orten zu ihm. Eine klare Bestätigung, dass Korkbergbaum sein Nachfolger werden sollte, erfolgte bei einem Vortrag des Erhabenen Felsens, als Korkbaumberg auf eine Aussage des Lehrers eine seltsame Geste machte:
Eines Tages sagte der Erhabene Felsen bei einem Lehrvortrag: „Die Buddha-Lehre ist keine einfache Sache. Einst war ich bei einem Schrei des Ahnlehrers Ma drei Tage lang taub.“
Als Korkbaumberg dies hörte, streckte er seine Zunge heraus.
„Wirst du dem Ahnlehrer Ma nachfolgen?“ fragte der Lehrer.
„Nein“, sagte Korkbaumberg, „heute habe ich die Wirkung des Ahnlehrers Ma dank Ihrer Einweisung kennengelernt. Wenn ich dem Ahnlehrer Ma nachfolge, dann verderbe ich meine Nachfahren.“
„So ist es, so ist es.“, stimmte ihm der Lehrer zu. „Wenn die Erkenntnis des Schülers gleich der des Lehrers ist, dann ist der Lehrer nur halb so würdig. Nur wenn er den Lehrer übertrifft, dann ist er der Lehre voll würdig. Deine Erkenntnis hat den Lehrer weitaus übertroffen.“
Korkbaumberg verbeugte sich.[2]
Immer wieder prüfte der Lehrer den Schüler. Der folgende Fall ist wohl eines der merkwürdigsten Koans:
Eines Tages fragte der Erhabene Felsen den Korkbaumberg: „Wo warst du und wo kommst du her?“
„Ich war am Fuß des Daxiong-Berges und habe Pilze gesammelt“, antwortete Korkbaumberg.
„Hast du den Tiger gesehen?“, fragte der Lehrer weiter.
Korkbaumberg begann in diesem Moment wie ein Tiger zu brüllen.
Der Lehrer hob die Hand und tat so, als würde er mit einer Axt auf den Schüler einschlagen.
Der Schüler gab dem Lehrer eine Ohrfeige.
Der Lehrer lachte und ging.
Beim Lehrvortrag in der Lehrhalle sagte der Lehrer: „Am Fuß des Daxiong-Berges lauert ein Tiger herum. Passt gut auf euch auf. Der alte Erhabene Felsen wurde heute von ihm gebissen.“[3]
Später wurde Das Seltene Glück von Korkbaumberg, also Huangbo Xiyun, einer der einflussreichsten Zen- oder Chan-Lehrer. Im 17. Jh. entwickelte sich in Japan sogar die nach ihm benannte Huangbo-Schule, bekannt als Ōbaku-shū. Noch einflussreicher ist jedoch die aus seiner Linie hervorgegangene Linji- oder Rinzai-Schule, die zur größten und einflussreichsten Schule des Zen- und Chan-Buddhismus weltweit wurde. Der eigentliche Gründer dieser Schule ist der Schüler von Korkbergbaum, nämlich Linji Yixuan, wörtlich „Der Mystische von der Fähre“. Im nächsten Beitrag geht es um das Koan zwischen dem Korkbaumberg und der Fähre.
<<<„Vorhin weine ich, jetzt lache ich!“ – Das Koan zum Baizhang Huaihai
„Er wagt es, den Bart des Tigers zu zupfen!“ ——Das Koan zum Linji Yixuan>>>
[1] 丈問。巍巍堂堂從何方來。師曰。巍巍堂堂從嶺南來。丈曰。巍巍堂堂當為何事。師曰。巍巍堂堂不為別事。便禮拜問曰。從上宗乘如何指示。丈良久。師曰。不可教後人斷絕去也。丈曰。將謂汝是個人。乃起入方丈。師隨後入曰。某甲特來。丈曰。若爾則他後不得孤負吾。——《指月錄卷之十 六祖下第四世 洪州黃檗希運禪師》
[2] 未幾住大雄山。以所處巖巒峻極。故號百丈。四方學者麏至。一日謂眾曰。佛法不是小事。老僧昔被馬大師一喝。直得三日耳聾。黃檗聞舉。不覺吐舌。師曰。子已後莫承嗣馬祖去麼。檗曰不然。今日因和尚舉。得見馬祖大機之(應作大)用。然且不識馬祖。若嗣馬祖。已後喪我兒孫。師曰。如是如是。見與師齊。減師半德。見過於師。方堪傳授。子甚有超師之見。檗便禮拜。——《指月錄 六祖下第三世 洪州百丈山懷海禪師》
[3] 丈一日問師。甚麼處去來。曰大雄山下[A2]采菌子來。丈曰。還見大蟲麼。師便作虎聲。丈拈斧作斫勢。師即打丈一摑。丈吟吟而笑便歸。上堂曰。大雄山下有一大蟲。汝等諸人也須好看。百丈老漢。今日親遭一口。——《指月錄卷之十 六祖下第四世 洪州黃檗希運禪師》
Kategorien:Buddhismus, Chan- (Zen-) Buddhismus, Koan/Gong-An

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