Gedanken zum Osterfest: über Jesus, die Auferstehung und die Menschlichkeit


Fortsetzung zum Beitrag Vorweihnachtliche Besinnungen (3): „Wer also war Jesus?“

Das heutige Osterfest soll den Anlass dazu bieten, die Betrachtungen über die Person Jesu von Nazareth, die wir letztes Weihnachten begannen, mit ein paar Gedanken über die Kreuzigungsgeschichte sowie über Tod und Auferstehung im Allgemeinen fortzusetzen und abzuschließen. In einem ersten Abschnitt schauen wir uns an, was die Evangelien über die Verhaftung, den Prozess und die Hinrichtung Jesu erzählen. Dann widmen wir uns den Berichten von der Auferstehung, jenem unbegreiflichen Geschehen, das den Kern des Christentums ausmacht. Ein paar Gedankengänge über die Themen Tod und Auferstehung in der Menschheitsgeschichte generell werden diesen Beitrag abschließen.

1. Die Beseitigung eines Unruhestifters?  

Unsere Weihnachtsbetrachtungen endeten ja an dem Punkt, wo es den religiösen Autoritäten des Judentums langsam zu bunt wurde mit dem Rabbi Jesus.

„Es war aber das Passafest und das Fest der ungesäuerten Brote zwei Tage entfernt. Und es suchten die Hohepriester und die Schriftkundigen, wie sie ihn mit List packen und ihn töten könnten. Sie sagten nämlich: Nicht beim Fest, damit nicht etwa Lärm des Volkes sein wird.“

Die Stimmung in Jerusalem muss damals zu diesem hohen jüdischen Feiertag also sehr spannungsgeladen gewesen sein. Jesus war offensichtlich beim Volk bekannt, und die Hohepriester fühlten sich unter Zugzwang. Man schritt also am Abend vor dem Fest zur Verhaftung.

„Wie zu einem Räuber seid ihr herausgekommen mit Dolchen und Stöcken, mich festzunehmen? Jeden Tag saß ich im Heiligtum lehrend und ihr habt mich nicht gepackt!“

So ruft Jesus den bewaffneten Dienern der Hohepriester zu. In dieser Reaktion klingt Verwunderung über diesen Aufwand bei der Verhaftung an. Ganz rational scheint die Gefährlichkeit, die man dem ehemaligen Zimmermann zuschreibt, ja wirklich nicht gewesen zu sein. Der Gefangene wird zur Ratsversammlung der Hohepriester gebracht.

„Die Hohepriester aber und die ganze Ratsversammlung suchten eine Falschaussage gegen Jesus, damit sie ihm den Tod gäben, und sie wurden nicht fündig, obwohl viele falsche Zeugen hinzugekommen waren.“

Schließlich aber konnten doch Vorwürfe konstruiert werden. Der Evangelist Matthäus erzählt, was dann geschah:

„Und aufgestanden sagte ihm der Hohepriester: ‚Antwortest du nichts, was diese gegen dich bezeugen?‘ Jesus aber schwieg. Und der Hohepriester sagte ihm: ‚Ich beschwöre dich bei Gott, dem Lebendigen, damit du uns sagst, ob du der Gesalbte, der Sohn Gottes bist.‘ Es sagt ihm Jesus: ‚Du hast es gesagt, doch sage ich euch: Von jetzt an werdet ihr sehen den Sohn des Menschen sitzen an der Rechten der Macht und kommen auf den Wolken des Himmels.‘ Daraufhin zerriss der Hohepriester seine Gewänder und sprach: ‚Er hat schändlich geredet! Was haben wir noch Bedarf an Zeugen? Siehe, jetzt habt ihr die Schadensrede gehört!'“

Damit ist das Schicksal Jesu aus Sicht der Ratsversammlung besiegelt, die Todesstrafe ist verhängt. Versuchen wir zu ergründen, was hier eigentlich vorging. Heutigen Lesern wird wohl weder die Rede von Jesus noch die bizarre Reaktion des Hohepriesters verständlich sein. Christen würden die zweite Frage des Hohepriesters ganz klar mit einem „Ja“ beantworten: Jesus ist der Sohn Gottes. Sowohl Jesus als auch der Hohepriester waren aber gläubige Juden, und im Judentum ist diese Vorstellung eine unglaubliche, todeswürdige Gotteslästerung. Immerhin ist die Antwort von Jesus nicht so eindeutig. Bedeutet „Du hast es gesagt“ eine Bestätigung wie „Du sagst es“, oder eher relativierend „na, das hast jetzt du gesagt“? Die allermeisten christlichen Bibelausgaben übersetzen die griechischen Wörter natürlich von vorne herein als Bestätigung. Aber die griechischen Worte lauten genau wie in der verwendeten Übersetzung von Stefan Alkier und Thomas Paulsen. Die Interpretation liegt beim Leser. Auch die weitere Aussage von Jesus über den „Sohn des Menschen“ klingt nicht sehr verständlich. Dass sie den Hohepriester aber so dermaßen aufregt, zeigt einerseits, dass er sehr gut verstanden hat, und andererseits, dass er die Grundlagen des jüdischen Glaubens durch diesen Satz angegriffen sieht. Das Zerreißen der Kleidung war in der Antike eine eindrucksvolle Geste der Wut und Empörung.

Die Nerven lagen daher jetzt blank in der Ratsversammlung:

„Dann spuckten sie in sein Antlitz und ohrfeigten ihn und andere schlugen zu, sprechend: Weissage uns, Gesalbter, wer ist es, der dich schlug?“

Nun hatten die Hohepriester aber noch ein Problem. Sie hatten Jesus aus religiösen Gründen zum Tode verurteilt. Aber Judäa war Teil des römischen Reiches. Die ganze Rechtsprechung lag allein bei der römischen Besatzungsmacht, die Hohepriester hatten also keinerlei Handhabe gegen Jesus. Frühmorgens am nächsten Tag ging es also zusammen mit dem Gefangenen ins Prätorium des Präfekten Pilatus. Die Römer interessierten sich aber natürlich überhaupt nicht für theologische Spitzfindigkeiten des jüdischen Glaubens. Pontius Pilatus war früher schon genervt gewesen von ewigen Beschwerden und Wünschen der Hohepriester. Der Plan war also, die Anklage ins Politische zu drehen: Sie behaupteten gegenüber Pilatus, Jesus habe sich als König der Juden bezeichnet. Das hätte eine Infragestellung der römischen Herrschaft bedeutet. Hochverrat also, und da hörte der Spaß auf für Rom. Die vier Evangelisten klingen alle nicht sehr deutlich bei der Schilderung des folgenden Prozesses. Sie stellen aber klar heraus, dass Pilatus nicht von der Geschichte der Hohepriester überzeugt ist. Jesus selbst scheint sich geweigert zu haben, sich zu verteidigen, obwohl ihm Pilatus goldene Brücken zum Freispruch baute. Warum? Darüber kann man nur spekulieren.

„Pilatus aber befragte ihn wiederum eindringlich, sprechend: Antwortest du nichts? Schau, wie großartige Dinge sie dich anklagen! Jesus aber antwortete gar nichts mehr, so dass Pilatus sich wunderte.“

Nun folgte die Episode mit dem Mörder Barabbas. Es ist ja der Morgen des Passafestes, und die römischen Behörden pflegten den Brauch, anlässlich des Festes Gefangene zu begnadigen. Pilatus verfiel nun auf die Lösung, Jesus, den er nach wie vor für unschuldig hielt, für diese Begnadigung vorzuschlagen. Ihm schwebte also ein Kompromiss zwischen seinem Rechtsempfinden und dem unbedingten Wunsch der Hohepriester vor.

„Denn er erkannte allmählich, dass aus Missgunst die Hohepriester ihn übergeben hatten. Die Hohepriester aber hatten die Masse aufgestachelt, damit er ihnen lieber Barabbas auslöse. Pilatus wiederum antwortend sprach zu ihnen: Was folglich soll ich machen mit dem König der Juden? Die aber wiederum schrien: kreuzige ihn!“

Pilatus aber sprach zu ihnen: Was hat er denn Schlechtes getan? Die aber schrien über alle Maßen: kreuzige ihn!‘ Pilatus sieht also bis zuletzt nicht ein, was eigentlich die Schuld von Jesus wäre, gibt aber dem Druck der Masse nach und verhängt das Todesurteil. Das kann man als kluges Taktieren sehen, um den Druck aus der aufgeheizten Atmosphäre in Jerusalem zum Passafest zu nehmen, man kann es aber auch als bedenkliche Schwäche auslegen. Andere römische Präfekten hätten Jesus wohl geradezu demonstrativ freigelassen, um Stärke zu zeigen und den Hohepriestern zu zeigen, wer das Sagen hat.“

Die folgende Hinrichtung und die Beerdigung werden von den vier Evangelisten recht knapp und nüchtern beschrieben, wobei sie sich in interessanten Details widersprechen. Hier sind wir also am Ende der Geschichte von Jesus von Nazareth angelangt, nur etwa drei Jahre nach seinem ersten öffentlichen Auftritt als Lehrer. Die Geschichte endet tragisch und trostlos. Seine Gegner haben mit rabiaten Mitteln ihr Ziel erreicht und ihn zum Schweigen gebracht. Aber die Evangelien sind noch nicht zu Ende, denn jetzt geschieht:

2. Eine unerwartete Wendung

Das Passafest ist vorbei, der Alltag ist wieder da. Am frühen Morgen des ersten Tages kommen drei Anhängerinnen Jesu zum frischen Grab, um den Leichnam noch einmal zu salben. Es handelte sich um ein betretbares Felsengrab, wie es damals üblich war. Die Frauen machten sich nur Sorgen, wer ihnen wohl den Stein wegwälzen würde, der das Grab verschloss. Aber als sie ankamen, beschreibt der Evangelist Markus folgendes:

„Und aufblickend sehen sie, dass weggewälzt ist der Stein – er war nämlich sehr groß. Und hineingekommen in das Grabmal erblickten sie einen jungen Mann in einem weißen Gewand, und sie wurden jäh vom Schrecken ergriffen. Der aber sagt ihnen: Ihr sollt euch überhaupt nicht mehr vom Schrecken ergreifen lassen. Jesus sucht ihr, den Nazarener, den Gekreuzigten. Auferweckt worden ist er – er ist nicht hier. Schaut, der Ort, wo sie ihn hingelegt hatten.“

Die anderen Evangelisten schmücken die Szenerie noch in unterschiedlichen Worten aus. Markus als der knappste und prägnanteste unter ihnen lässt sein Evangelium aber eindrucksvoll mit diesen Worten enden. Was der Leser daraus machen soll, überlässt er völlig ihm. Abschließend machen wir uns noch ein paar kurze

3. Gedanken zum Osterfest

Mit dieser Szene, den Frauen am leeren Grab, beginnt erst die Geschichte des Christentums. Es verbreitete sich nicht als eine Lehre Jesu von Nazareth, sondern als die Verkündigung der Auferstehung von Jesus von Nazareth. Diese Auferstehung machte den Kern des Christentums aus. Folglich war Ostern Jahrtausende lang das Hauptfest der Kirchen. Wie sieht dies für Außenstehende, also Nichtchristen, aus?

Was als Erstes auffällt, ist das altägyptische Flair der Ostergeschichte. Nichts war den alten Ägyptern wichtiger als das Leben nach dem Tod. Ihr sehnlicher Wunsch war die persönliche Unsterblichkeit. Daher die Mumifizierungen, daher der aufwendige Totenkult. Die Jesusgeschichte hat starke Ähnlichkeit mit dem Osiris-Glauben. Auch der ägyptische Gott Osiris erleidet einen grausamen Tod durch seine Widersacher, kann aber mit Hilfe der Göttin Isis wieder auferstehen und letztendlich siegen. Dieser Mythos bezieht sich auch explizit auf das Aufspießen der neuen Saat nach der jährlichen Nilschwemme.

Dieses Bild des sterbenden und wiedergeborenen Fruchtbarkeitsgottes findet sich überall in den ersten Ackerbaukulturen der Menschheit. Die alte Kirche legte den Termin des Osterfestes auch exakt auf die Zeit der alten Fruchtbarkeitsrituale wie z.B. der Geburt der Demeter. Und Ostera ist sogar der Name einer keltisch-germanischen Göttin der Vegetation. Dies sind Symbole, die wohl heute noch tief im Unterbewusstsein der Menschen verankert sind.

Die frühen Christen wären noch nicht auf die Idee gekommen, Weihnachten (den Termin der Wintersonnenwende) oder Ostern (den Anbruch des Frühlings) zu feiern. Ihre Beziehung zu Jesus war unmittelbar: Er war für sie lebendig anwesend als von den Toten auferstandenes reales Wesen. Die vier Evangelien sind übrigens sehr kunstvoll komponierte „Tragödientexte“, die ganz zum Schluss, nach dem Fiasko der Kreuzigung, ihren dramaturgischen Höhepunkt im mysteriösen Geschehen der Auferstehung haben.

Der „heidnische“ Hintergrund von Ostern und die außerchristlichen Parallelen zur Auferstehungsgeschichte können dazu führen, uns das Gemeinsame, das unter der kulturellen Unterschiedlichkeit liegt, bewusst zu machen. Wenn man etwaige Metaphysik beiseitelegt und zu den Quellen zurückgeht, sieht man religiöse Figuren wie Jesus, Moses, Buddha und Laozi letztendlich allesamt als Menschen. Dann steht einem plötzlich eine überraschende Gemeinsamkeit und eine Harmonie zwischen ihnen vor den Augen. Wenn wir uns auf ihre tiefen, verbindenden Werte wie Mitgefühl, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Vergebung und Liebe besinnen, welche die Christen mit Jesus Christus verbinden, aber auch in anderen Traditionen von Bedeutung sind, können wir über kulturelle Unterschiede hinausschauen und die Gemeinsamkeiten erkennen, die uns als menschliche Wesen verbinden. Dabei können wir uns auch auf unsere eigene menschliche Natur besinnen und uns daran erinnern, dass wir alle fähig sind, spirituelle Erfahrungen zu machen und nach Wahrheit zu suchen. Die tiefen, verbindenden Werte, die von diesen als heilig angesehenen Figuren verkörpert werden, können uns dabei helfen, uns auf das Verbindende zu konzentrieren, die Menschlichkeit in uns allen zu erkennen und uns in unseren Bemühungen um eine bessere Welt zu vereinen.



Kategorien:Christentum

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