Fortsetzung zum Beitrag Vorweihnachtliche Besinnungen (2): „Die vier guten Botschafter“
Das Markusevangelium will uns Lesern ganz klar vermitteln, dass damals mit der Person dieses Nazareners namens Jesus etwas ganz und gar Unglaubliches, Wunderbares geschehen ist. Allein die Kunde von ihm ist schon eine gute, eine befreiende Botschaft. Er ist weniger ein Lehrer, sondern vielmehr ein „Macher“: Er treibt Dämonen aus, er heilt durch körperliche Berührung. Er lehrt eigentlich keinen „Weg in den Himmel“, nein, er verkündet einfach:
„Denkt um! Nahe gekommen ist nämlich das Königtum der Himmel“.
Und wenn er lehrt, dann tut er es eben „mit Vollmacht„, so dass alle verstört sind. Und was ist denn zu den Wundern, die bei allen vier Evangelisten vorkommen, zu sagen? Die tiefe Symbolik bei vielen davon fällt auf: Wasser wird zu Wein, tote Jünglinge und Mädchen werden wieder auferweckt, Krankheiten geheilt, Nahrungsmittel werden vervielfältigt. Vielfältige Mängel und der Tod selbst werden Szenenhaft, wie auf einer Bühne, besiegt.
Das kennen wir aus den Mythologien aller antiken Völker gut. In der griechischen Kultur zum Beispiel, die damals sehr dominant war, waren Erzählungen von Heroen, die von Göttern mit sterblichen Frauen gezeugt wurden und die auf Erden übernatürliche Taten vollbrachten, fester Bestandteil der Erziehung. Gerade in der dieser Zeit damals tauchen zahlreiche neue Religionen auf, in denen Wunderheilungen eine wichtige Rolle spielen. Und der Titel eines „Sohnes Gottes“, der Jesus bald zugeschrieben wurde? Selbst von historischen Personen wie Platon wurde nach seinem Tod erzählt, der Gott Apollon habe seiner Mutter damals beigewohnt, als sein Vater auf einer Reise war. Alexander lll. von Makedonien („Alexander der Große“) wurde „der Sohn des (Gottes) Dionysos“ genannt, und die Julier, das Geschlecht von Augustus und Tiberius, der Kaiser zur Zeit Jesu, führten ihre Abstammung auf die Göttin Venus zurück. (Augustus ließ in seiner Regierungszeit zahlreiche Tempel für Venus bauen).
Der große Unterschied: jetzt, in der neuartigen literarischen Form der Evangelien, wird diese Mythologie direkt auf die Erde, unter die kleinen Leute, in den banalen Alltag geholt. Es ist nicht mehr von einer sagenhaften Vergangenheit die Rede. Es geht auch nicht mehr um politische Propaganda. Sondern der jenseitige, unfassbare Gott des Judentums, also des alten Testamentes, ist mitten unter uns ein gewöhnlicher Mitmensch geworden, konkret ein Zimmermann aus Nazareth. Dies ist eigentlich die wichtigste Botschaft, die uns die vier Evangelisten mitteilen möchten.
Die Provokation, die genau diese Botschaft für das fromme Judentum darstellte, war ungeheuer. Keine etablierte Religion kann ja so etwas eigentlich dulden. „Das Dao ist überall, die Buddhanatur ist überall, selbst in Scheisshaufen“ sagten berühmte Zenmeister. Das war aber etwas anderes. Das stellte nicht ein Hierarchisches System in Frage. Hier ist es aber nochmals provokanter, weil hier der persönlich gedachte Schöpfer und Herr des Universums höchstpersönlich als ein Herr Jedermann zur Welt kommt. Das macht, konsequent weitergedacht, die Religion, die auf der Verehrung dieses Schöpfers beruht, überflüssig. Eigentlich ein gewaltiger Gedanke.
Das öffentliche Auftreten von Jesus zu seinen Lebzeiten war aus rabbinischer, gelehrter Sicht absolut grenzwertig und eigentlich schon eine todeswürdige Gotteslästerung.
Wie war denn eigentlich das Umfeld von Jesus damals, in was für eine Welt wurde er hineingeboren? Die jüdische Religion war damals schon uralt. Das mosaische Gesetz, die starren Gesetze des alten Testamentes für alles und jeden lasteten schwer auf den Menschen. Und seit Jahrhunderten bereits stand das Gebiet unter Fremdherrschaft. Zuletzt, seit wenigen Jahrzehnten, waren die Römer die neuen Herren. Eigentlich war die römische Herrschaft aus Sicht der Unterworfenen recht milde, und in den allermeisten Provinzen gab es keinen einzigen Besatzungssoldaten. Der jüdische Monotheismus sorgte leider eben für eine der wenigen Ausnahmen. Die äußerst strenge monotheistische Unterscheidung zwischen „wahrer“ und „falscher“ Religion macht es für die „Anhänger des einzig wahren Glaubens“ schier unerträglich, von „Götzendienern“ beherrscht zu werden. Ständig gab es daher blutigen Aufruhr, wenn wieder einmal „religiöse Gefühle“ verletzt wurden. Die Römer wiederum waren von diesem Denkweise abgestoßen, verstanden sie nicht und reagieren mit brutaler Härte darauf. „Diese verrückte Religion mit ihrem einen, eifersüchtigen, absurden Gott, der sofort beleidigt tut“ – das ist die antike Sichtweise auf den Monotheismus, der uns heute so geläufig ist.
Und da trat nun der Jude Jesus von Nazareth auf und stellte jüdische Reinheitsgebote in Frage, brach gelassen den Sabbat, missachtete Speisegebote und griff bei diversen Gelegenheiten die jüdischen Schriftgelehrten heftig an. Dafür ging er freundlich und offen mit Römern und anderen „Heiden“ um. Er zeigte generell eine kosmopolitische und pazifistische Einstellung. Für vernünftig denkende, einfache Menschen ist so ein Lehrer, so eine Herangehensweise doch sicher eine wohltuende Erleichterung, eine wahrlich gute Botschaft (Evangelium). Es ist eine pragmatische Anpassung der religiösen Tradition an die zeitgenössischen Realitäten, dargelegt „mit Vollmacht“ von oben, wie wir gesehen haben. Eine heilsame, brandaktuelle Reformbewegung wurde da in Gang gesetzt.
Wie aber sollten wohl die religiösen Autoritäten darauf reagieren? Man kann es sich denken:
„Und es suchten die Hohepriester und die Schriftkundigen, wie sie ihn mit List packen und ihn töten könnten. Sie sagten nämlich „nicht beim Fest, damit nicht etwa Lärm des Volkes sein wird““.
Wie diese Herren es aber schafften, die römische Besatzungsmacht für ihre Ziele einzuspannen, wollen wir passend nächste Ostern betrachten.
Fortsetzung: Gedanken zu Ostern über Jesus, die Auferstehung und die Menschlichkeit
Kategorien:Christentum
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