Wenn das Wasser klar ist, erscheint der Mond von selbst

Lektüre zum wöchtlichen Drei-Schätze-Retreat in Dornbirn vom 22.05.2024

Ein Zitat aus dem Buch „Praxis des Zen“, einer Sammlung von Zitaten des Seniorobermeisters Gao Binkai:

(Anm. d. Red.: Dieses Zitat wurde während eines von Seniorobermeister Gao geleiteten Retreats ausgesprochen. In diesen Retreats werden die sogenannte Drei-Schätze-Herzenslehre, die verschiedene Methoden der Meditation bereitstellt, praktiziert. Dazu gehören die Meditation mit dem Stillen Mantra und die kontemplative Selbstbetrachtung über das Geheime Portal.)

Wichtig für unsere Übung ist es, mit ganzem Herzen dabei zu sein. Unser Leben ist von unermesslichem Karma geprägt1. Wenn wir den Kreislauf von Geburt und Tod überwinden wollen2, müssen wir all unsere unheilsamen Gewohnheiten und Charakterzüge3 vollständig loslassen und unser Herz ohne Ablenkung ausrichten. Nur dann ist es möglich, vollkommen zu erwachen. Wenn es schwierig ist, sich von den Anhaftungen zu trennen, können wir die Hürde zur Überwindung von Leben und Tod nicht meistern4. Es ist wichtig, Körper und Geist loszulassen; die Herzenslehre des absoluten Sinnes erfordert Ausdauer und Loslassen. Alle früheren Buddhas und Bodhisattvas erlangten durch unzählige Äonen der Praxis das Buddhatum5. Beachte nicht das Tun und Lassen anderer Menschen [und fokussiere auf deine eigene Praxis]. Wenn das Wasser klar ist, erscheint der Mond von selbst6, und jeder Gedanke wird rein sein. Beachte, dass ein einziger verfehlter Gedanke schon zu den sechs Bereichen der Wiedergeburt7 führen kann!

修行用功,貴在一心,我們人生在世,造業無邊,想要了脫生死,就是要把過去的習氣毛病通通都放下,不雜用心,才能大徹大悟。如果難以割捨,就無法突破生死關口,要放下身心,性理心法貴在堅持與放下,過去一切諸佛菩薩,莫不經過累劫修行而成佛,旁人的動靜不要理會,水清自然月現,念念清淨,要知道一念之差,就是六道輪迴。——《禪的實踐(五) 七天修道實驗班概述 第一天 調和身心 第四十四頁》

Bei der Dao-Praxis geht es letztendlich um die Kultivierung und Läuterung des Herzens. Neben dem geschäftigen Leben widmen wir uns noch so intensiv der spirituellen Praxis. Was ist der eigentliche Zweck davon? Es geht darum, die innere Ausdauer zu trainieren, den Charakter zu verfeinern und die innere Tugend zu entwickeln. Alle Lernenden der Andong Gruppe8 müssen daher die Lehre des Herzens verstehen, welche die folgenden Phasen umfasst:

1. Phase: Langmut und Duldsamkeit üben

2. Phase: Gedanken und Haltung wandeln

3. Phase: Verwirkliche die Leerheit, ohne Anhaftung und Befleckung.

4. Phase: Lasse selbst das „Ohne Anhaftung und Befleckung“ los. Es gibt auch keine „formlose wahre Form“. Alle Gedanken des Begehrens sind vollkommen bereinigt sind. Das himmlische Prinzip wirkt rein und natürlich.

修道修到最後,就是修心、辦心。這麼多的事,這麼忙碌的修道生活,所謂何事?全在鍛鍊火候、修煉心性、培養內德。凡我安東人,安東所有的後学,都要懂得心地法門。心地法門者:第一階段,忍耐、忍辱;第二階段,轉念、轉身;第三个階段,化為虛空、不著不染;第四個階段,把不著、不染拿掉,把無相的實相也拿掉,慾念淨盡,天理純然。——《禪的實踐(五) 七天修道實驗班概述 第一天 調和身心 第四十六頁》

  1. Karma bedeutet wörtlich ‚Handlung‘ auf körperlicher, verbaler oder geistiger Ebene. Im buddhistischen Kontext bewirkt jede Handlung eine Konsequenz. Diese Folgewirkung vergeht auch nach zahlreichen Wiedergeburten und sogar über Äonen hinweg nicht. ↩︎
  2. Die durch das Karma bewirkten Wiedergeburten führen zum Kreislauf von ständigem Leben und Tod. Dieser Kreislauf heißt im Buddhismus Samsara, der Kreislauf des Leidens oder der Unzulänglichkeit. ↩︎
  3. Karma wirkt nicht von außen auf einen, sondern prägt das Bewusstsein oder den Geist von innen. Denk- und Verhaltensmuster werden davon beeinflusst, was Gewohnheiten und Charakter formt. Buddhistische Schriften sprechen von Karmeneindrücken, die wie Samen im Feld des tiefen Bewusstseins gesät werden. Sobald die Bedingungen reif sind, sprießen und wachsen sie. ↩︎
  4. Diese Hürde liegt daher nicht im Außen und kann nicht mittels externer Kraft überwunden werden. Es geht darum, mit den ‚Samen‘, die das Bewusstsein und den Geist bedingen und gestalten, aufzuräumen und sie zu verarbeiten. ↩︎
  5. Das Konzept des Bodhisattva-Weges: Ein Bodhisattva vervollkommnet sich durch drei Asaṁkhyeyakalpas, was eine unvorstellbar lange Zeit darstellt, erlangt alle Merkmale eines Buddhas und erreicht das höchste, unübertroffene Erwachen (anuttara-samyak-sambodhi). Gemäß diesem Konzept ist Gautama Buddha nicht einfach nur durch seine Praxis in seinem Leben als Siddhartha Gautama (563-483 v. Chr.) zum Buddha geworden, sondern er hat bereits unzählige Leben lang dafür praktiziert. Anm. d. Red.: Diese unvorstellbare Zeit zerschlägt die duale Sicht. Demnach überwindet ein Bodhisattva das Streben nach dem Erwachen und die duale Sicht von Verblendeten und Erwachten. So wie der Zen-Meister Huineng sagte: ‚Der undifferenzierte Sinn ist der wahre Sinn. ↩︎
  6. Das Spiegelbild des vollen Mondes im Wasser ist eine bekannte Metapher im Zen- oder Chan-Buddhismus für das Erwachen oder das Erblicken der Selbstnatur und des natürlichen Wesens. ↩︎
  7. Samsara, der Kreislauf von Leben und Tod, wird in sechs Daseinsbereiche dargestellt. Je nach Karma wird man als ein Deva (göttliches Himmelswesen), ein Asura (hasserfülltes Himmelswesen; Dämon), ein Mensch, ein Tier, ein (hungernder) Geist oder ein Höllenwesen wiedergeboren. Keines dieser Leben ist ewig und unterliegt dem Tod. Demnach kann ein Himmelswesen danach auch ein Höllenwesen werden, und genauso umgekehrt. Es gibt auch die Auslegung, dass die sechs Daseinsbereiche nicht notwendigerweise Daseinswelten darstellen, sondern Zustände des Herzgeistes. ↩︎
  8. Eine der 23 Gruppen der Gemeinschaft des Weges der Einheit, die vom Seniorobermeister Gao mitgegründet und geführt wurde. Siehe Die Geschichte des Weges der Einheit und Biografie des Seniorobermeisters Gao Binkai ↩︎



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