——Beitragsreihe: Die Koans zur Geschichte des Zen-Buddhismus
Das Kaiserreich der Tang-Dynastie (618–907) näherte sich allmählich seinem Ende, während der Zen- oder Chan-Buddhismus nach der politischen Unterdrückung in den Jahren 840–846 unter dem „kriegerischen Kaiser“ Wuzong wieder aufblühte. Die sogenannten Dharma-Nachfolger der verschiedenen Linien verbreiteten die Lehre weit und übten großen Einfluss im Land aus. Die Praktizierenden der buddhistischen Lehre pflegten einen regen Austausch mit den großen Lehrern, die die politische Unterdrückung überstanden hatten und ihre Lehrtätigkeit wieder aufgenommen hatten:
Im Norden des Reichs, in der Präfektur Zhenzhou (heute Provinz Hebei), nördlich des unteren Laufs des Gelben Flusses, sitzt Linji Yixuan, der „Tiefsinnige an der Fähre“ (?-866), Gründer der Linji-Schule (jap.: Rinzai-shu). Wandert man etwa 1000 Kilometer südwärts nach Xuanzhou, etwa 50 bis 60 Kilometer südlich des Jangtse-Flusses, findet man Linjis Lehrer, Huangbo Xiyun, den „Seltenen Glück vom Korkbaumberg“, der jedoch im Jahr 850, vier Jahre nach dem Ende der politischen Unterdrückung, verstarb. Reist man entlang des Jangtse-Flusses weiter südwestlich, erreicht man nach etwa 900 Kilometern die Ebene nördlich des Xuefeng-Gebirges („Schneeberg“) im Kreis Wuling (heute Provinz Hunan). Dort lebte der berühmte Deshan Xuanjian, der „Spiegel der Erkenntnis vom Tugendberg“ (782–865), ein Wegbereiter der Yunmen- und Fayan-Schule, den wir in einem späteren Beitrag näher kennenlernen werden. Pilgert man entlang der Ebene am Fuß des Schneeberg-Gebirges nach Südosten, erreicht man nach 140 Kilometern die Präfektur Tanzhou, wo Guishan Lingyou, der „Gesegnete vom Berg am Gui-Fluss“ (771–853), lebte. Er war Mitbegründer der Guiyang-Schule. Sein Schüler, Yangshan Huiji, der „Stille Weise vom Berg der Ehrfurcht“ (807–883), residierte 250 Kilometer östlich in Yichun (heute Provinz Jiangxi). Noch im selben Kreis Yichun, etwa 100 Kilometer nördlich, befand sich der Gründer der Caodong-Schule (jap. Soto-shu), Dongshan Liangjia, der „Wertvolle vom Grottenberg“ (807–869), den wir bereits im vorangegangenen Beitrag kennengelernt haben.
Jeder dieser Meister lehrte nach seiner eigenen besonderen Art, da die Zen- oder Chan-Schule keine feste Methode vorgibt. Zumindest zu jener Zeit war die Zen- oder Chan-Lehre vollkommen flexibel und lebendig. Erst Jahrhunderte später erfolgte die Fixierung auf Methoden wie vor allem das Kontemplieren von Koans oder die starre Sitzmeditation. Am Ende der Tang-Dynastie war es üblich, dass viele Schüler von einem Lehrer zum nächsten reisten, um denjenigen zu finden, der sie zum Erwachen inspirieren konnte. Im Jahr 865 erhielt der Meister Dongshan Liangjia, der „Wertvolle vom Grottenberg“, einen Besuch, der für die Etablierung seiner Schule von großer Bedeutung war. Der junge Besucher wurde später sein bekanntester Schüler und der zweite Begründer der Caodong-Schule (jap.: Soto-shu) : Caoshan Benji, der „Urstille vom Cao-Berg“ (840–901). Nennen wir ihn einfach „der Urstille“.
Der Urstille wurde als Sohn der Familie Huang im Kreis Putian der Stadt Quanzhou (heute Putian in der Provinz Fujian) geboren. In seiner Jugend studierte er intensiv die konfuzianischen Schriften, bevor er zur buddhistischen Lehre wechselte. Mit 19 Jahren trat er als Novize in das Kloster auf dem Ling-Shi-Berg im Landkreis Futan in Fuzhou ein. Im Alter von 25 Jahren erhielt er die volle Ordination und gelobte die vollkommene Einhaltung der buddhistischen Mönchsregeln. Danach besuchte der Urstille Meister Dongshan Liangjia, den „Wertvollen vom Grottenberg“.
Bei ihrer ersten Begegnung fragte der Meister: „Mönch, wie ist dein Name?“
Der Urstille antwortete: „Der Urstille.“
Der Meister fuhr fort: „Erzähl mir mehr.“
Der Urstille erwiderte: „Ich sage es nicht.“
Der Meister fragte: „Warum nicht?“
Der Urstille antwortete: „Sonst heißt es nicht mehr ‚Urstille‘.“
Von diesem Moment an schätzte Meister Dongshan ihn sehr und nahm ihn als engen Schüler auf. Der Urstille studierte viele Jahre unter Dongshans Leitung. Eines Tages, als der Urstille sich vom Meister verabschiedete, übergab ihm der Meister heimlich die Essenz seiner Lehre. Was genau dabei übermittelt wurde, ist nicht bekannt. Solche rätselhafte Übermittlungen bleiben jedoch ein zentrales Element der Zen- oder Chan-Schule.
Daraufhin fragte ihn der Meister: „Wohin gehst du?“
Der Urstille antwortete: „An einen Ort ohne Veränderung.“
Dongshan erwiderte: „Wenn es ein Ort ohne Veränderung ist, wie kannst du dann dorthin gelangen?“
Benji sagte: „Auch das Gehen dorthin ist ohne Veränderung.“ [1]
Nach seiner Verabschiedung von Meister Dongshan besuchte der Urstille die Stupa des sechsten Ahnlehrers Huineng in Caoxi und zog danach nach Jishui (heute im Norden des Kreises Yihuang in Jiangxi). Zu dieser Zeit bewunderten viele Menschen seine Lehren und baten ihn, sie zu unterweisen. Aus Verehrung für den sechsten Ahnlehrer änderte der Urstille den Namen des Berges, auf dem er lebte, in „Caoshan“. Dies wurde dem Ort Caoxi entlehnt, aus Verehrung für den sechsten Ahnlehrer Huineng. Daher erhielt er den Namen „Urstille vom Cao-Berg“. Sein Beitrag zur Etablierung der Zen- oder Chan-Lehre war bedeutend, und seine Schule wurde von seinen Nachfolgern als die Caodong-Schule bezeichnet. „Cao“ steht für Caoshan, „Dong“ für Dongshan – dies sind die ersten beiden Zeichen der Namen der beiden Gründer. Es bleibt allerdings unklar, warum der Name des Schülers (Cao) vor dem des Lehrers (Dong) steht, was in der Guiyang-Schule nicht der Fall ist. Eine Lehrmeinung besagt, dass sich „Cao“ auch auf Caoxi, den Ort des sechsten Ahnlehrers Huineng, beziehen könnte. Aus Respekt habe man dieses Zeichen an die erste Stelle gesetzt. Aus der Caodong-Schule entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte das Prinzip der „stillen kontemplativen Beleuchtung“ (Mo-Zhao-Chan), das in der japanischen Soto-Schule als Shikantaza – „nur sitzen“ – bekannt wurde.
Nachdem wir die Koans der Gründer der Guiyang-, Linji- und Caodong-Schulen behandelt haben, bleiben noch die beiden Schulen Yunmen und Fayan, die, wie bereits erwähnt, auf den berühmten Meister Deshan Xuanjian, den „Spiegel der Erkenntnis vom Tugendberg“ (782–865), zurückgehen. Bevor wir jedoch das Koan zu diesem „Erkenntnis-Spiegel“ betrachten, kehren wir zunächst zu seinen Vorgängern zurück. Zuerst begegnen wir Tianhuang Daowu, dem „Dao-Erwachten vom Himmelkaiser“ (748–807). Um diesen Dao-Erwachten geht es im nächsten Beitrag.
Organigramm zur Genealogie der Gründer der fünf Schulen
<<<„Wer hört die Lehre des Gefühllosen?“ – Das Koan zum Dongshan Liangjia (807-869)
„Wer, glaubst du, sind denn die Nachfahren?“ – Das Koan zum Tianhuang Daowu (748-807)>>>
[1]唐代撫州曹山本寂禪師,泉州莆田(今福建莆田市)人,俗姓黃。幼時學習儒學,十九歲於福州福唐縣靈石山出家,二十五歲時受具足戒。唐朝咸通年間,禪風極盛,本寂禪師往洞山參謁良价禪師。初初相見,洞山良价禪師問云:「闍黎,什麼名字?」本寂禪師曰:「本寂。」洞山禪師又云:「向上更道。」本寂禪師曰:「不道。」洞山禪師云:「為什麼不道?」本寂禪師曰:「不名本寂。」本寂禪師因此深得洞山禪師器重,自此成為洞山禪師之入室弟子。在洞山禪師座下參學多年,一日,本寂禪師向洞山禪師辭別,洞山禪師遂秘授洞山宗旨,又問本寂禪師:「你要向什麼處去?」本寂禪師曰:「向不變異處去。」洞山禪師云:「既然是不變異處,豈有去呢?」本寂禪師云:「去亦不變異。」辭別洞山禪師,本寂禪師即前往曹溪參禮六祖惠能大師塔,之後至吉水(今江西宜黃縣北)。當時眾人皆慕師之道,祈請師為眾說法。本寂禪師志慕六祖大師,改山名為曹山。––《指月錄卷之十八 六祖下第六世 撫州曹山本寂禪師》
Kategorien:Buddhismus, Chan- (Zen-) Buddhismus, Koan/Gong-An

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