Das Mahaparinirvana Sutra über die Beständigkeit des Tathagata

Beitragsreihe: Wie kam der Buddhismus nach China?

Kap. 1: Die Anfänge der chinesischen Philosophien und Religionen

Kap. 2: Die Durchsetzung des Buddhismus in der Wei- und Jin-Zeit (220-420 n. Chr.)

Link zu vorherigen Beiträgen

Teil 31: Das Mahaparinirvana Sutra über die Beständigkeit des Tathagata

Es gibt Fragen, welche Buddha nicht beantwortet hat. Darunter fällt eben die Frage, ob der Tataghata nach dem Tod weiter existiert oder nicht. Im Sinn der mittleren Betrachtung hat Buddha eigentlich jede mögliche Antwort auf diese Frage negiert. Hier in diesem Sutra sprach der Buddha davon wie folgt, als Antwort auf die Frage von einem Schüler namens Kasyapa:

Oh Kasyapa! Du darfst eine solche Vorstellung nicht hegen und sagen, dass das Wesen des Tathagata erlischt. Oh Kasyapa! Das, was die Geistestrübungen zum Erlöschen bringt, ist nicht als irgendein Ding zu bezeichnen. Warum nicht? Es ist als beständig zu bezeichnen, da ewig und endgültig. Dies ist still und unübertrefflich. Alle Formen sind restlos erloschen. Dies ist frisch und klar, ewig verweilend und ohne Rückfall. Deshalb heißt Nirvana ewige Verweilung. Genauso ist es mit dem Tathagata, ewig verweilend, ohne Veränderung. Wie Sternschnuppen beschreibt man die Geistestrübungen. Sucht man nach ihrem Verschwinden das Erloschene, wird es nirgends zu finden sein. Wenn bei den Tathagatas die Geistestrübungen erloschen sind, sind sie nicht in den fünf Daseinsbereichen (chinesisch: 五趣 wu qu; sanskrit: panca gati; Himmel, Mensch, Tier, Geister, Höllenwesen). Daher ist der Tathagata das beständige Phänomen, ohne Veränderung.“ [1]

Kasyapa gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden und brachte ein Gleichnis als Gegenargument:

„Wenn die Flamme der Geistestrübungen erlischt, erlischt auch der Tathagata. Es gibt keinen Ort, an welchem der Tathagata ewig verweilt. Es ist so wie, wenn die rote Farbe des glühenden Eisens verschwindet, weiß man nicht wohin. Genauso ist mit dem Tathagata und den Geistestrübungen: Sind sie erloschen, dann sind sie nirgends hingekommen. Genauso ist es, wenn die Hitze und die rote Farbe des glühenden Eisens verschwinden, existieren sie nicht mehr. So ist es mit dem Tathagata: erloschen und unbeständig. Wenn mit dem Erlöschen der Flamme der Geistestrübungen in [den Zustand des] Nirvana eingetreten wird, heißt es, dass der Tathagata unbeständig ist.“ [2]

Buddha Gautama ging auf dieses Gleichnis ein und antwortete so:

„O Gütiger! Das Eisen, von dem Sie sprechen, bezieht sich auf die gewöhnlichen Wesen. Bei den gewöhnlichen Wesen können die Geistestrübungen beseitigt werden aber wieder entstehen.  Das nennt man unbeständig. Dies ist beim Tathagata nicht der Fall: Nach dem Erlöschen entstehen sie nicht wieder, deshalb nennt man das beständig.“ [3]

Der Schlüssel der Sache liegt also darin, ob der Tathagata, der vollkommen Erwachte, wieder zurückfallen und im Geiste wieder getrübt werden kann. Zur Vergewisserung betonte Kasyapa nochmals sein Gegenargument:

„Wenn wir das Eisen zurück ins Feuer legen, wird es wieder rot. So können beim Tathagata die Fesselungen im Geiste wieder entstehen. Wenn Fesselungen wieder entstehen können, ist dies eben unbeständig.“ [4]

Buddha Gautama sprach nochmals ganz klar über die Beständigkeit des Tathagata:

Oh Kasyapa! Das kalt gewordene Eisen kann wieder heiß gemacht werden, aber das ist beim Tathagata nicht der Fall. Ist die Geistestrübung einmal beseitigt, ist es endgültig rein und frisch. Die lodernde Flamme der Geistestrübungen wird nicht wieder entstehen.“ [5]

Kasyapa gab sich zufrieden mit dieser Antwort:

„Es ist gut, es ist gut, dass ich jetzt wirklich weiß, was es bedeutet, wenn der Tathagata sagt, dass alle Buddhas beständig sind.“ [6]

An einer anderen Stelle im Sutra erläuterte Buddha Gautama die Beständigkeit des Tathagata so:

Der Tathagata ist nicht unbeständig. Warum nicht? Weil er die Geburt für immer beendet hat. Geburt heißt unbeständig, ohne Geburt heißt beständig.
Der Tathagata ist ungeboren und ist daher beständig.

Das Beständige ist ohne Wesen. Phänomene mit Wesen heißt unbeständig. Der Tathagata ist ungeboren, wesenlos und daher beständig.

Was beständig ist, erfüllt alle Orte wie das leere All, das nirgends nicht existiert. Genauso verhält es sich mit dem Tathagata. Er existiert überall. Daher ist er beständig.

Was unbeständig ist, von dem kann man sagen, es gibt ihn hier oder es gibt ihn dort nicht. Der Tathagata ist nicht so. Man kann nicht sagen, es gibt ihn hier und es gibt ihn dort nicht. Er ist daher beständig.

Was unbeständig ist, von dem kann man sagen, es gibt ihn manchmal und manchmal nicht. Der Tathagata ist nicht so, dass es ihn manchmal gibt und manchmal nicht gibt. Er ist daher beständig.

Was beständig ist, hat keinen Namen und keine Form. Das leere All ist beständig, daher hat es keinen Namen und keine Form. Der Tathagata ist ebenso ohne Namen und ohne Form. Er ist daher beständig.

Was beständig ist, ist ohne Ursache und ohne Wirkung. Das leere All ist beständig, daher hat er keine Ursache und keine Wirkung. Der Tathagata hat ebenso keine Ursache und keine Wirkung. Er ist daher beständig.

Was beständig ist, hat nichts mit den drei Zeiten (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) zu tun. Genauso ist es mit dem Tathagata. Er hat nichts mit den drei Zeiten zu tun. Er ist daher beständig. [7]

Schlussfolgernd ist unter einem beständigen Tathagata im Nirvana kein festes Wesen zu verstehen. Er ist also ungeboren, wesenlos und deswegen beständig. Beständig oder unbeständig sind daher nur Betrachtungen aus unterschiedlichem Blickwinkel. Man soll daher nicht auf ein Konzept verharrt sein. Dies ist genau im Sinne der mittleren Betrachtung und der Leerheit.

–> Fortsetzung: Teil 32: Das Mahaparinirvana Sutra über die Icchantikas und die Wesenslosigkeit der Buddhanatur


[1]「迦葉!汝亦不應作是憶想,謂如來性是滅盡也。迦葉!滅煩惱者不名為物。何以故?永畢竟故,是故名常。是句寂靜,為無有上,滅盡諸相,無有遺餘;是句鮮白,常住無退。是故,涅槃名曰常住;如來亦爾,常住無變。言星流者,謂煩惱也。散已尋滅,莫知所在者,謂諸如來煩惱滅已,不在五趣。是故,如來是常住法,無有變易。」——《大般涅槃经 刘宋慧严南本 卷四 四相品第七之一》

[2]迦葉菩薩復白佛言:「若煩惱火滅,如來亦滅,是則如來無常住處。如彼迸鐵,赤色滅已,莫知所至;如來煩惱亦復如是,滅無所至。又如彼鐵熱與赤色滅已無有;如來亦爾,滅已無常,滅煩惱火便入涅槃,當知如來即是無常。」——《大般涅槃经 刘宋慧严南本 卷四 四相品第七之一》

[3] 「善男子!所言鐵者,名諸凡夫。凡夫之人雖滅煩惱,滅已復生,故名無常。如來不爾,滅不復生,是故名常。」——《大般涅槃经 刘宋慧严南本 卷四 四相品第七之一》

[4] 迦葉復言:「如鐵赤色滅已,還置火中赤色復生。如來若爾,應還生結;若結還生,即是無常。」——《大般涅槃经 刘宋慧严南本 卷四 四相品第七之一》

[5] 迦葉!如鐵冷已可使還熱;如來不爾,斷煩惱已畢竟清涼,煩惱熾火更不復生。——《大般涅槃经 刘宋慧严南本 卷四 四相品第七之一》

[6] 迦葉復言:「善哉,善哉。我今諦知如來所說諸佛是常。」——《大般涅槃经 刘宋慧严南本 卷四 四相品第七之一》

[7] 亦非非常。何以故?生永斷故。有生之法,名曰無常;無生之法乃名為常。如來無生,是故為常。常法無性,有性之法名曰無常。如來無生、無性,無生無性故常。有常之法遍一切處,猶如虛空,無處不有。如來亦爾,遍一切處,是故為常。無常之法,或言此有、或言彼無。如來不爾,不可說言是處有、彼處無,是故為常。無常之法有時是有、有時是無。如來不爾有時是有、有時是無,是故為常。常住之法無名、無色。虛空常故,無名、無色。如來亦爾,無名、無色,是故為常。常住之法無因、無果。虛空常故,無因、無果。如來亦爾,無因、無果,是故為常。常住之法三世不攝。如來亦爾,三世不攝,是故為常。——《大般涅槃经 刘宋慧严南本 卷第二十 高貴德王菩薩品之二》


(Mit Korrekturen von Ursula Presslauer, Birgit Seissl, Jörg Hollenstein und Alexander Maurer)




Kategorien:Buddhismus China, Maha Parinirvana Sutra 大般涅槃经

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