Anekdote: Jin Dais Orchideen

In den stillen Winkeln des Klosters fand Jin Dai eine Quelle der Freude, die seine spirituelle Pflichten ergänzte: die Kunst der Orchideenzucht. Die zarten Blüten der unzähligen Orchideenarten, die das Kloster schmückten, waren nicht nur ein Fest für die Augen, sondern auch für die Seele der Gläubigen, die in ihrer Anmut und Stille eine Spiegelung der spirituellen Suche sahen.

Eines Tages überließ Jin Dai einem seiner Schüler die Aufgabe, die kostbaren Orchideen zu pflegen. Dieser Schüler, der die Liebe seines Meisters zu diesen Blumen teilte, ging mit äußerster Achtsamkeit an die Arbeit. Doch trotz aller Vorsicht und Sorgfalt passierte ein unglücklicher Zwischenfall. Ein unvorhergesehener Stolperer führte dazu, dass die zarten Blüten zu Boden fielen, ihre Schönheit getrübt und ihre Wurzeln entblößt wurden.

Als die Abenddämmerung das Kloster in sanftes Licht tauchte, kehrte Jin Dai zurück. Der Schüler gestand ihm voller Reue sein Versagen und erwartete die gerechte Strafe seines Meisters. Doch Jin Dai reagierte anders als erwartet. Er legte dem Schüler die Hand auf die Schulter und sprach sanft: „Mein Freund, die Orchideen sind vergänglich wie alles auf dieser Welt. Es ist nicht unsere Aufgabe, an ihnen festzuhalten, sondern sie zu ehren und ihre Schönheit zu genießen, solange sie uns gegeben ist.“

Diese Worte berührten den Schüler tief. Von diesem Tag an nährte er seine spirituelle Praxis nicht nur durch die Lehren seines Meisters, sondern auch durch die Erkenntnis, dass die Schönheit des Lebens in ihrer Flüchtigkeit liegt.



Kategorien:Anekdoten

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