Beitragsreihe: Wie kam der Buddhismus nach China?
Kap. 1: Die Anfänge der chinesischen Philosophien und Religionen
Kap. 2: Die Durchsetzung des Buddhismus in der Wei- und Jin-Zeit (220-420 n. Chr.)
Kap. 3: Die Ausgestaltung des chinesischen Buddhismus in den Nord-Süd-Dynastien (420-589 n. chr.)
Teil 4: Gunabhadras Übersetzungen zur Buddhaessenz-Lehre und das Angulimala Sutra

Gunabhadra (394-468 n. Chr.) war ein indischer buddhistischer Mönch und Übersetzer. Er ging zuerst nach Sri Lanka und kam 435 über den Seeweg in der südchinesischen Stadt Guangzhou an. Der Kaiser Wen der südlichen Song-Dynastie 宋文帝 song wen di (407-453 n. Chr.) bat ihn in die Hauptstadt Jiankang zu kommen. Er übersetzte dort dann zusammen mit anderen Mönchen mehr als 100 Bände buddhistischer Schriften ins Chinesische. Diese Schriften konzentrierten sich v. a. auf die Buddhaessenz- und Nur-Bewusstsein-Schule wie das Angulimala Sutra, das Srimala Sutra, das Sutra der Erklärung der tiefen Geheimnisse und das Lankavatara Sutra usw.[1]
Das Angulimala Sutra 央掘魔羅經 yang jue mo luo jing handelt von der Mahayana-Version der Geschichte des Angulimala, welche schon in den frühbuddhistischen Schriften enthalten ist. Eine Kurzfassung der Geschichte lautet wie folgt:
Von einem Irrglaube angeleitet, die Menschen durch Tötung in den Himmel bringen zu können, tötete Angulimala, unschuldige Menschen in einem Wald. Laut Anweisung seines Lehrers muss er tausend Menschen umbringen, ihre Finger abschneiden und daraus eine Halskette machen. Aus diesem Grund bekam er den Namen Angulimala, was „Fingerkette“ bedeutet. Trotz wiederholter Warnungen der Passanten begab sich Buddha Gautama zu ihm. Angulimala hatte bereits 999 Menschen getötet und wartete auf sein letztes Opfer, das er nun in Buddha Gautama sah. Nach einem kurzen Gespräch konnte der Buddha den Massenmörder zur Vernunft bringen, sodass dieser seinen Irrglauben aufgab und sich zum Schüler Buddhas bekannte. Er wurde ein ordinierter Mönch und konnte durch aufrichtige Praxis schließlich die Frucht des Arhats (Heiliger, Erwachter) erlangen.
Diese Geschichte ist in verschiedenen Schriften enthalten, die sich jedoch in der Darstellung und im Stil unterscheiden. Dennoch betonen sie alle die Wichtigkeit, keine bösen Taten zu begehen, insbesondere nicht zu töten, und ermutigen dazu, sich selbst zu reflektieren, Mitgefühl zu entfalten und zu einem tugendhaften Leben zurückzukehren. Dadurch ist es sogar einem Massenmörder möglich, das Erwachen zu erlangen und ein Heiliger zu werden. In dieser von Gunabhadra übersetzten Version, die als Mahayana-Schrift angesehen wird, wird besonders betont, dass diese Wandlung möglich ist, weil alle Wesen über die Buddhaessenz oder die Buddhanatur (Tathagatagarbha) verfügen. Darin wird die Buddhaessenz oder die Selbstnatur wie folgt beschrieben:
Mit allen erdenklichen geschickten Mitteln können die Buddhas … (dieser Teil wiederholt sich zu Beginn bei jeder der folgenden Aufzählungen)
… nicht die Entstehung der Buddhaessenz erfahren, da die Buddhanatur ohne-Entstehen ist. …
… nicht die Unwahrhaftigkeit der Selbstnatur erfahren, da die Buddhanatur wahr ist. …
… nicht die Unbeständigkeit der Selbstnatur erfahren, da die Buddhanatur beständig ist. …
… nicht die Vergänglichkeit der Buddhaessenz erfahren, da die Buddhanatur dauerhaft ist. …
… nicht die Veränderbarkeit der Buddhaessenz erfahren, da die Buddhanatur unveränderbar ist. …
… nicht die Unruhe der Buddhaessenz erfahren, da die Buddhanatur still und ruhig ist. …
… nicht den Zerfall der Buddhaessenz erfahren, da die Buddhanatur nicht zerfällt. …
… nicht den Bruch der Buddhaessenz erfahren, da die Buddhanatur nicht zerbrechlich ist. …
… nicht die Krankheit der Buddhaessenz erfahren, da die Buddhanatur ohne Krankheit ist. …
… nicht Alter und Tod der Buddhaessenz erfahren, da die Buddhanatur ohne Alter und Tod ist. …
… nicht die Verunreinigung der Buddhaessenz erfahren, da die Buddhanatur ohne Unreinheiten ist. …
… Sie ist unermesslich klar, rein und würdevoll bei allen Wesen. (Dieser Satz wiederholt sich zu Ende bei jeder der oben angeführten Aufzählungen) [2]
Die Eigenschaften der Buddhaessenz oder Buddhanatur sind also: ohne Entstehen (anfangslos), wahr, beständig, dauerhaft, unveränderbar, still und ruhig, nicht zerfallend, nicht zerbrechlich, ohne Krankheit, ohne Alter und Tod und rein. Das sind Merkmale, die wir bereits im Mahaparinirvana-Sutra kennengelernt haben. Anstatt alles als ichlos, unbeständig, leidhaft und unrein zu betrachten und nach Erlösung zu suchen, wird bei diesem Konzept betont, bei der Buddhaessenz oder Buddhanatur zu verweilen, welche Ich, beständig, glückselig und rein ist. Zur Veranschaulichung dieser Eigenschaften folgten diese Gleichnisse:
So wie Öl und Wasser sich nicht mischen können, können die unermesslichen Geistestrübungen zwar die Buddhanatur verdecken, sich aber nicht mit ihr mischen.
Die Buddhanatur verhält sich mit den Geistestrübungen wie das Licht in einem Krug: Zerbricht der Krug, manifestiert sich das Licht. Der Krug gleicht den Geistestrübungen, das Licht der Buddhaessenz.
So wie Sonne und Mond bei starker Bewölkung nicht gesehen werden können: Verziehen sich die Wolken, ist ihr Leuchten klar ersichtlich. Die Buddhaessenz ist ebenso: Von den Geistestrübungen bedeckt ist sie nicht klar erkennbar. Entfernen sich die Geistestrübungen, leuchtet sie weit und breit. Die Buddhanatur ist hell und klar wie Sonne und Mond.[3]
Diese Gleichnisse sind nahezu eins zu eins im Mahaparinirvana-Sutra zu finden. Betont wird der unveränderliche, nicht trübbare Zustand der Buddhaessenz, sodass man voller Zuversicht und unerschütterlich in ihr verweilen kann. Dieses Konzept ist grundlegend für die Idee, dass jedes Wesen erwachen kann, und dies nicht notwendigerweise durch eine strenge Praxis, sondern plötzlich eintreten kann. Dieser Weg ist, wie bereits erwähnt, maßgeblich für die Entwicklung der Chan-Schule, welche sich als die Schule des plötzlichen Erwachens deklariert. Ein weiteres Sutra, welches explizit von der Buddhaessenz spricht, ist das Srimala-Sutra 胜鬘经 sheng man jing, welches ebenfalls von Gunabhadra übersetzt wurde. Darüber geht es im nächsten Beitrag.
–> Fortsetzung: Teil 5: Das Srimala Sutra über die Buddhaessenz als ein unbedingtes Phänomen
[1] 求那跋陀羅,齊言功德賢,中天竺人也。以大乘學,故世號摩訶衍。[…] 跋陀前到師子諸國,皆傳送資供。既有緣東方,乃隨舶泛海。[…] 元嘉十二年至廣州。時刺史車朗表聞,宋文帝遣使迎接。既至京都,敕名僧慧嚴、慧觀於新亭效勞。[…] 於祇洹寺集義學諸僧譯出《雜阿含經》,東安寺出《法鼓經》。後於丹陽郡譯出《勝鬘》、《楞伽經》。徒眾七百餘人,寶雲傳譯,慧觀執筆。往復諮析,妙得本旨。[…] 後譙王鎮荊州,請與俱行,安止辛寺,更創殿房。即於辛寺出《無憂王》、《過去現在因果》及一卷《無量壽》、一卷《泥洹》、《央掘魔》、《相續解脫》、《波羅蜜了義》、《第一義五相略》、《八吉祥》等諸經,凡一百餘卷。——《出三藏記集卷14 求那跋陀羅傳第八》
[2] 一切諸佛極方便求如來之藏生不可得。不生是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。一切諸佛極方便求自性不實不可得。真實性是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。一切諸佛極方便求自性無常不可得。常性是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。一切諸佛極方便求如來之藏無恆不可得。恆性是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。一切諸佛極方便求如來之藏變易不可得。不變易性是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。一切諸佛極方便求如來之藏不寂靜不可得。寂靜性是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。一切諸佛極方便求如來之藏壞不可得。不壞性是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。一切諸佛極方便求如來之藏破不可得。不破性是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。一切諸佛極方便求如來之藏病不可得。無病性是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。一切諸佛極方便求如來之藏老死不可得。不老死性是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。一切諸佛極方便求如來之藏垢不可得。無垢性是佛性。於一切眾生所無量相好清淨莊嚴。——《央掘魔羅經卷第一》
[3] 如油雜水不可得。如是無量煩惱覆如來性。佛性雜煩惱者無有是處。而是佛性煩惱中住。如瓶中燈瓶破則現。瓶者謂煩惱。燈者謂如來藏。[…] 譬如日月密雲所覆光明不現。云翳既除光明顯照。如來之藏亦復如是。煩惱所覆性不明顯。出離煩惱大明普照。佛性明淨猶如日月。——《央掘魔羅經卷第一》
(Mit Korrekturen von Ursula Presslauer, Birgit Seissl, Jörg Hollenstein und Alexander Maurer)
Kategorien:Angulimala Sutra 央掘魔羅經, Buddhismus China
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