Dharmaschatz Podiumsutra d. 6. Ahnlehrers
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Kap. 7 (1): Die drei Körper und vier Weisheiten
— Begleitlektüre zum wöchentlichen Drei Schätze Retreat
Der letzte Beitrag, der das 6. Kapitel abschloss, handelte von den drei Körpern der Einheit – dem „Buddha des Urwesens“. Huineng ist inzwischen noch bekannter geworden, seine Schule, die „Lehre des plötzlichen Erwachens“, ist etabliert. Die Kunde über ihn und seine Lehre verbreitete sich rasch, und immer mehr Interessierte suchten ihn auf, darunter auch bekannte Meister. Das 7. Kapitel berichtet von Gesprächen mit Besuchern, die später seine wichtigsten Schüler und Nachfolger wurden. Es enthält wichtige Koans (chinesisch: Gong An 公案, „Praxisfälle“). Schauen wir uns zuerst einen Fall an, der die zuletzt erwähnte Trikaya Lehre behandelt:
Ein Mönch, namens Zhi Tong, […] studierte das Lankavatarasutra. Tausende Male hat er es gelesen, begriff aber die drei Körper (siehe Beitrag 6-4) und die vier Weisheiten nicht. Er beehrte den Lehrer mit seinem Besuch und bat ihn um eine Erläuterung.[1]
Der Lehrer sagte:
„Was die drei Körper betrifft:
Der klare, reine Dharmakörper (Dharmakaya) ist dein Urwesen;
der vollkommene Körper der Wirkung (Saṃbhogakaya) ist deine Weisheit;
die Myriaden an Körpern der Verwandlung (Nirmanakaya) sind deine Handlungen.
Abseits des Urwesens kann man nicht von den drei Körpern sprechen, das würde Körper ohne Weisheit heißen.
Wenn man es begreift, dass die drei Körper wesenlos sind, heißt es das Erwachen der vier Weisheiten.[2]
[Zhi] Tong fragte weiter: „Ist es möglich, die Bedeutung der vier Weisheiten zu hören?“[3]
Der Lehrer sagte: „Wer die drei Körper begriffen hat, versteht auch die vier Weisheiten. Wozu dann noch die Frage? Abseits der drei Körper braucht man nicht über die vier Weisheiten zu reden. Das würde Weisheit ohne Substanz heißen. Weisheit wird somit zu Nicht-Weisheit.“[4]
Weiter spricht [Huineng] ein Gedicht:
Die Weisheit des vollkommenen Spiegels: das klare, reine Urwesen,
die Weisheit der Einheit und Gleichheit: der Geist frei von Übel,
die Weisheit der feinen Beobachtung: die unverfälschte Sicht, die Weisheit der wirksamen Handlungen: entspricht dem vollkommenen Spiegel.
Fünf und acht, sechs und sieben: Frucht und Ursache wandeln sich. Diese Bezeichnungen sind aber im Grunde ohne Wesen.
Schafft man bei der Wandlung ohne Anhaftung zu sein,
Verweilt man bei den unzähligen Phänomenen stets im Naga-Samadhi. [5]
Was oben beschrieben wurde, ist die Wandlung des Bewusstseins zur Weisheit. In der Lehre heißt es:
- Die ersten fünf Bewusstseinsebenen wandeln sich zur Weisheit der wirksamen Handlungen
- Das sechste Bewusstsein wandelt sich zur Weisheit der feinen Beobachtung
- Das siebte Bewusstsein wandelt sich zur Weisheit der Einheit und Gleichheit
- Das achte Bewusstsein wandelt sich zur Weisheit des vollkommenen Spiegels
Durch die Transformation des sechsten und siebten Bewusstseins wandeln sich die Ursachen des Karmas, während die Wandlung der ersten fünf und des achten Bewusstseins die Früchte des Karmas transformiert. Letztlich handelt es sich dabei nur um eine Transformation von Begriffen; im eigentlichen Wesen bleibt nichts verändert. [6]
Zhi Tong erwachte auf Anhieb [und begriff sein] Wesen und die Weisheiten.[7]
Die acht Bewusstseinsebenen wurden in den Beiträgen 1-11 und 1-12 schon behandelt. Die „Wandlung des Bewusstseins zur Weisheit“ bedeutet bei Huineng: Die Umwandlung der Geistestrübungen zur Weisheit, was zur Vervollkommnung der drei Körper Buddhas führt. Das Bewusstsein hier bedeutet der getrübte Geist, der die differenzierte Betrachtung von Ich und die anderen, ich und die Welt hegt, und die natürliche Einheit und Wesenlosigkeit des Daseins nicht erkennt. Die Yogacara Schule sagt: die Ich-Vorstellung der 7. Bewusstseinsebene führt zu Tatabsichten (Karma), die auf den Bewusstseinsimpulsen (Karmasamen) aus der 8. Bewusstseinsebene (Speicherbewusstsein) basieren. Das Speicherbewusstsein ist mit dem Unterbewusstsein im Sinne der modernen Tiefenpsychologie vergleichbar: das ist wie der Teil des Eisbergs unter der Oberfläche.
Auch kann dieses Speicherbewusstsein mit einem Drehbuch verglichen werden. Und die 7. Bewusstseinsebene gleicht dem Regisseur. Beide agieren jedoch im Hintergrund. Im Vordergrund führt die 6. Ebene, das Gedankenbewusstsein, die Regie und erteilt Anweisungen, die aus dem Hintergrund stammen, ohne Hinterfragen und unmittelbar an die fünf Schauspieler (fünf Sinnen). Er beurteilt und analysiert die gespielten Szenen nach den Präferenzen der Regie im Hintergrund. Die gespielten Szenen samt Bewertungen des Regisseurs fließen automatisch in das Drehbuch und gestalten es weiter.
Es entsteht also ein Kreislauf der abhängigen Entstehung: Der Regisseur im Hintergrund hängt vom Drehbuch ab und übermittelt dessen Inhalt getreu dem ausführenden Regisseur, der diesen Anweisungen so folgsam ist, dass er sie ohne Zögern an die fünf Schauspieler weitergibt. Die Schauspieler gestalten mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Szenen, die wiederum – zusammen mit den Analysen und Bewertungen des ausführenden Regisseurs – in das Drehbuch zurückfließen.
Das Ironische liegt beim ausführenden Regisseur: Er führt Anweisungen aus und nimmt Bewertungen vor – er ist also Regisseur im eigentlichen Sinne und beeinflusst durch seine Einschätzungen das Drehbuch. Eigentlich hält er alle Macht in den Händen, wird jedoch fortwährend von dem verdeckten Chef beeinflusst, der ihm vorgibt, wie er zu sein und was er zu tun hat. Er könnte ein selbstständiger Regisseur und Drehbuchautor sein, muss jedoch immer wieder feststellen, dass der Film nicht nach seinem eigenen Gutdünken gestaltet wird.
Ist unser Leben nicht ebenso beschaffen? Es verläuft meist nicht nach unserem Willen und unseren Wünschen, denn die Macht des verborgenen Regisseurs und seines Drehbuchs ist zu stark. Hätten wir tatsächlich freie Wahl, würden wohl viele Menschen gerne einige Szenen umschreiben, eine andere Rolle übernehmen oder gar den ganzen Film wechseln.
Nach außen hin führen die fünf Sinnesbewusstseinsebenen die Tatabsichten der inneren Bewusstseinsebenen aus – wie Schauspieler, die ihre Rollen gemäß Regie und Drehbuch spielen. Jeder der fünf äußeren Sinne hat seine eigenen Objekte der Begierde und erzeugt daraus Bewusstseinsimpulse in Form von Zuneigung und Abneigung, von Gier und Hass. In Zusammenarbeit mit dem Gedankensinn werden daraus Daten und Materialien für weitere Szenen oder ganze Filme gestaltet – in diesem Leben wie auch in künftigen. Diese Eindrücke werden im Speicherbewusstsein, also im „verborgenen Drehbuch“, abgelegt. Die damit verbundenen Zuneigungen und Abneigungen verstärken wiederum das siebte Bewusstsein, die Ich-Anhaftung.
Das im Speicherbewusstsein Gespeicherte sind die karmischen Samen, die später als Erfahrungen, Lebensumstände oder zukünftige Leben ihre Früchte tragen. Das Karma lässt uns einen Film nach dem anderen erleben – ein Leben nach dem anderen. Solange alle acht Bewusstseinsebenen diese Filme für wirklich halten und verblendet darin mitspielen, setzt sich dieser Kreislauf endlos fort. Erst wenn man erwacht und aufhört mitzuspielen, kann er durchbrochen werden. Doch dieses Aufhören ist keineswegs einfach: Der oben beschriebene Prozess der Bewusstseinsbildung ist längst zur Gewohnheit geworden – ja, beinahe zur Sucht. Um sich davon zu lösen, muss man einen strengen Weg des Entzugs gehen: die Umwandlung des Bewusstseins in die vier Weisheiten. Das ist der Transformationsprozess, welcher Huineng im obigen Zitat erläutert hat:
Die Weisheit des vollkommenen Spiegels: das klare, reine Urwesen
Man wandelt das Speicherbewusstsein zum klaren, reinen Urwesen, also zur Weisheit des vollkommenen Spiegels, um. Das Drehbuch löst gespeicherte Daten auf und hört auf, weitere Werke zu schreiben. Das Speicherbewusstsein wird bereinigt. Die Karma-Ursachen heben sich auf. Das natürliche Urwesen ist erwacht. Es ist rein, klar und unerschütterlich.
Die Weisheit der Einheit und Gleichheit: der Geist frei von Übel
Man wandelt die 7. Bewusstseinsebene, also das Ich-Bewusstsein, zur Weisheit der Einheit, Gleichheit bzw. des Gleichmutes, um. Der Regisseur sieht ein, dass er nicht der wirkliche Führer ist und hört auf, Regie zu führen. Er wird demütig, respektvoll und hegt keine Vorstellung vom Ich und den anderen oder vom Ich und der Welt. Man befreit sich von egozentrischen Stimmungen und Einstellungen.
Die Weisheit der feinen Beobachtung: die unverfälschte Sicht
Man wandelt die 6. Bewusstseinsebene, also das Gedankenbewusstsein, zur Weisheit der feinen Beobachtung. Der Gedankensinn muss aufhören, von der verdeckten Regie beeinflusst zu werden und verblendet weitere Datenmaterialien an das Drehbuch zu liefern. Man ist achtsam, erkennt die Geistesobjekte so wie sie sind, ohne Färbung durch die verdeckte Regie und durch ein Drehbuch im Hintergrund. Dadurch ist er sich im Klaren, was zu tun ist und was nicht.
Die Weisheit der wirksamen Handlungen: entspricht dem vollkommenen Spiegel
Man wandelt die fünf äußeren Sinnesbewusstseinsebenen zur Weisheit der wirksamen Handlungen um. Sie hören auf, die Objekte der Begierde zu sammeln und werden allmählich frei von Begierden. Somit werden sie rein und klar wie das erwachte Urwesen, dem vollkommenen Spiegel. Das Urwesen wirkt ungehindert über die fünf Sinnesgrundlagen nach außen und vollbringt dadurch tugendhafte Verdienste.
Fünf und acht, sechs und sieben: Frucht und Ursache wandeln sich
„Fünf und Acht“ sind die Früchte von „Sechs und Sieben“. Ursache und Früchte werden gleichermaßen zur Weisheit. Weisheit ist somit keine abstrakte Idee, sondern Funktion des erwachten Urwesens. Wandelt sich die Ich-Vorstellung zu klarer Sicht und Gleichmut, dann wandeln sich ebenso das Speicherbewusstsein und die 5 Sinnesbewusstseinsebenen. Ist das Urwesen erwacht, dann ist die Verblendung des Speicherbewusstseins (Alaya) vorbei, es erlangt seinen natürlichen Zustand wieder. Alle Phänomene des Urwesens sind jetzt klar ersichtlich, was als die „Weisheit des vollkommenen Spiegels“ bezeichnet wird. Gier (Zuneigung) und Hass (Abneigung) lösen sich auf. Entstehen und Vergehen hören auf. Es erfolgen nun keine verblendeten Tathandlungen mehr, sondern tugendhafte Verdienste (Siehe Beitrag 3-1). Diese Ansammlung der Tugend wird zu den drei Buddha Körpern (Siehe Beitrag 6-4).
Diese Bezeichnungen sind aber im Grunde ohne Wesen
Die drei Körper und die vier Weisheiten sind nur wesenlose Begriffe, konventionelle Konstrukte, die darstellen, wie wir sie erfahren und verstehen. Sie dienen lediglich als Werkzeuge, um den Geist zu führen und zur Einsicht zu bringen. Die damit bezeichneten Phänomene sind bedingt entstanden und werden wieder vergehen, sobald die Bedingungen verschwinden. Hinter diesen Begriffen findet man keinen unveränderbaren Kern. Eine Anhaftung an sie, wenn sie als dauerhaft betrachtet werden, ist erneut nur eine Verblendung und Trübung des Geistes. Solch eine Ansicht wird von Huineng „Körper ohne Weisheit“ oder „Weisheit ohne Körper“ genannt. Wenn der Geist diese Werkzeuge loslässt, erkennt er, dass Weisheit und Urnatur stets ungetrübt und jenseits aller Begriffe wirken.
Schafft man bei der Wandlung ohne Anhaftung zu sein
Verweilt man bei den unzähligen Phänomenen stets im Naga-Samadhi
Dieser Satz beschreibt den Zustand des unerschütterlichen Geistes inmitten aller Erscheinungen. Die „unzähligen Phänomene“ beziehen sich auf die unaufhörlichen Bewegungen von Gedanken, Gefühlen, Sinneswahrnehmungen und karmischen Einflüssen, die im alltäglichen Leben auf uns einströmen. „Ohne Anhaftung zu sein“ bedeutet, dass man diese Phänomene erkennt und wahrnimmt, ohne sich emotional an sie zu binden oder sie als dauerhaft und eigenständig zu betrachten. Man sieht sie als bedingt entstanden, vorübergehend und leer von eigenem Wesen. Das „Naga-Samadhi“ symbolisiert einen Zustand geistiger Stabilität und Macht, inspiriert vom Bild des Naga, des mythischen Drachen. In der buddhistischen Symbolik steht der Naga für Kraft, Wachsamkeit und die Fähigkeit, die turbulenten Gewässer des Geistes zu meistern. Dieses Samadhi ist kein passives Verharren, sondern ein aktives, waches Mitwirken im Leben, vollkommen unbefangen und doch wirksam.
Der Erhabene Lehrer des Weges der Einheit erläutert die Umwandlung des Bewusstseins zur Weisheit so:
Die Praxis der Geistesstabilität der immerwährenden Güte liegt im Bewusstsein. Fange daher mit dem Bewusstsein an. Wandele es in Weisheit um. Die Kunst liegt im Loslassen der Ich-Vorstellung. Die Lebewesen hegen eine zu starke Ich-Vorstellung, daher schaffen sie es nicht, aus ihrem Kokon auszubrechen. Bei der Ich-Vorstellung haftet man sich an der Ich-Form, d. h. an allem, was man im Geiste an Wissen gespeichert hat: alles über die Welt, über die Zeitgeschichte, man fixiert sich auf seine Weltanschauung und denkt das Richtige zu wissen. In Wirklichkeit wird man dabei vom Unsichtbaren (aus dem tiefen Bewusstsein) gelenkt, und man ist sich dessen gar nicht bewusst. Wenn man diese Ich-Vorstellung nicht durchbricht, erreicht man nicht die vollkommene Freiheit. Man glaubt, durch die Dao-Praxis genug losgelassen zu haben, kann aber nicht auf Ruhm und Profit verzichten. Man verliert sich in menschlichen Angelegenheiten und verfängt sich in Beurteilungen und Bewertungen. [9]
Die Wandlung des Bewusstseins zur Weisheit geschieht in jedem Moment, in dem Gedanken und Gefühle aufkommen. Schaffen wir es, nicht von diesen eingenommen und gelenkt zu werden, entfaltet sich die rechte Sicht im Geiste, die einem Klarheit und Weisheit verschafft. Mit dieser inneren Wandlung wandelt sich auch unser Umfeld, und damit auch unsere Beziehung zu den Mitmenschen.
Podiumsutra – Kap. 7 (2): Glückselig ist die stille Erlöschung –>
<– Podiumsutra – Kap. 6 (4): Die drei Körper der Einheit, der Buddha des Urwesens
[1] 僧智通。寿州安丰人。初看楞伽经。约千余遍。而不会三身四智。礼师求解其义。
[2] 师曰。三身者。清净法身。汝之性也。圆满报身。汝之智也。千百亿化身。汝之行也。若离本性。别说三身。即名有身无智。若悟三身无有自性。即名四智菩提。
[3] 通再启曰。四智之义。可得闻乎。
[4] 师曰。既会三身。便明四智。何更问耶。若离三身。别谈四智。此名有智无身。即此有智。还成无智。
[5] 复说偈曰。大圆镜智性清净 平等性智心无病 妙观察智见非功 成所作智同圆镜
五八六七果因转 但用名言无实性 若于转处不留情 繁兴永处那伽定
[6] 如上,转识为智也。教中云,转前五识为成所作智,转第六识为妙观察智,转第七识为平等性智,转第八识为大圆镜智。虽六七因中转,五八果上转,但转其名,而不转其体也。
[7] 通顿悟性智。
[8] 复说偈曰。大圆镜智性清净 平等性智心无病 妙观察智见非功 成所作智同圆镜
五八六七果因转 但用名言无实性 若于转处不留情 繁兴永处那伽定
[9] 活佛师尊 慈悲 【轉識成智,心常清靜】
所谓慈心三昧乃唯心识界,由心识下手,转识成智。其方法在去我执,众生我执太重故无法破茧而出。我执即我相,亦即内心所存的一切知障—-对于上下四方的宇,古往今来的宙,有自以为是的宇宙观,以为我所知道的都是对的。事实上,人们皆受无形的支配而不自知。故我障不除无法达到圆通,虽是舍去一切而来修道,但还不能舍去名利,摒弃人事上的有无,而令此身成为名利的奴隶,执于人事的是是非非。
Autoren: Mingqing Xu, Alexander Maurer
Übersetzung der Zitate: Mingqing Xu, Alexander Maurer
Lektoren: Pascal Hauser, Birgit Seissl, Ursula Presslauer
Kategorien:Buddhismus, Chan- (Zen-) Buddhismus, Podiumsutra