Dharmaschatz Podiumsutra d. 6. Ahnlehrers – Kap. 7 (2): Glückselig ist die stille Erlöschung
— Begleitlektüre zum wöchentlichen Drei Schätze Retreat
Im letzten Beitrag behandeln wir die Unterweisung Huinengs zu „den drei Körpern und vier Weisheiten“. Immer öfter trafen nun Besucher ein, die schon lange Jahre intensive Praxis hinter sich hatten und dem Meister essenzielle Fragen zur Buddhalehre stellten. Über einen solchen Fall hören wir:
Der Mönch Zhi Dao […] bat [Huineng] um Belehrung und sagte: „Der Schüler studiert seit seiner Ordinierung das Nirvana Sutra, schon über zehn Jahre lang, und begreift den wesentlichen Sinn nicht. Möge der Meister mich darin unterweisen.“
Der Meister fragte: „Was hast du nicht verstanden?“
[Zhi Dao] antwortete: „Ich habe Zweifel bei dem Spruch „Alle Gestaltungen sind unbeständig und sind Phänomene, die dem Entstehen und Vergehen unterworfen sind. Ist das Entstehen und Vergehen erloschen, ist [Weilen in der] stillen Erlöschung, glückselig.“[1]
Der Meister fragte: „Was verstehst du dabei nicht?“
[Zhi Dao] erwiderte: „Alle Lebewesen haben zwei Körper, die heißen der formhafte und der Dharma-Körper. Der formhafte Körper ist unbeständig, er entsteht und vergeht. Der Dharma-Körper ist beständig, ohne Wissen und ohne Wahrnehmung. Wenn das Sutra besagt „Ist das Entstehen und Vergehen erloschen, ist [Weilen in der] stillen Erlöschung glückselig“, dann ist die Frage, welcher Körper erloschen ist und welcher das Glück empfindet. Wenn es der formhafte Körper ist, bei welchem im Moment seines Vergehens die vier Elemente zerfallen, was nur Leiden ist, dann kann vom Glück nicht die Rede sein. Wenn der Dharma-Körper erlöscht, ist man wie Gräser, Holz, Tonziegel, Steine, wer fühlt hier die Glückseligkeit? Oder ist der Dharma-Körper die Substanz und die fünf Ansammlungen sind seine Funktionen, also ein Körper mit fünf Wirkungen? Das Entstehen und Vergehen wäre somit beständig: es entsteht die Wirkung aus der Substanz und kehrt beim Vergehen wieder zur Substanz zurück. Wenn es einfach immer wieder entsteht, wäre es wohl ein fühlendes Wesen? Dann endet es nicht und erlöscht nicht. Wenn es aber nicht wieder entsteht, dann bleibt es ewig in der stillen Erlöschung, es gleicht dann den gefühllosen Gegenständen. Wenn es so ist, dann sind alle Phänomene durchs Nirvana unterdrückt und können nicht wieder entstehen. Wo ist da die Glückseligkeit?“ [2]
Der Meister antwortete: „Du bist ein Schüler Buddhas, wie kannst du die falsche Ansicht der anderen Wege, [nämlich] von Auslöschung oder Beständigkeit, hegen und damit an die allerhöchste Lehre herangehen? Du behauptest also, dass außerhalb des formhaften Körpers noch ein Dharmakörper existiert, und suchst aufgrund dessen abseits des Entstehens und Vergehens nach der stillen Erlöschung. Daher sprichst du über die beständige Glückseligkeit des Nirvana, die von einem Körper empfunden wird. Bei solcher Ansicht hält man sich noch an Leben und Tod (samsara) fest und kann das weltliche Glück nicht loslassen.[3]
Du sollst wissen, die verblendeten Menschen sehen die fünf Ansammlungen als die eigene Körperform an, die sie getrennt von allen Phänomenen, welche als äußere Objekte betrachtet werden, ansehen. Daher lieben sie das Leben und verabscheuen den Tod. Getrieben vom Fluss der Gedanken erkennen sie nicht, dass diese illusorisch und trügerisch sind, und geraten bedauerlicherweise in den Kreislauf [des Leidens]. Gerade die beständige Glückseligkeit des Nirvana betrachten sie aber als Leiden, tagtäglich rasen und streben sie unaufhörlich [nach weltlichen Angelegenheiten].[4]
Aus Mitgefühl führte der Buddha die wahre Glückseligkeit des Nirvana vor: augenblicklich ohne Form des Entstehens, augenblicklich ohne Form des Vergehens, es gibt auch kein Entstehen und Vergehen, das beendet werden kann. Wenn es so ist, manifestiert sich die stille Erlöschung, die ohne Maß ist. Es heißt die beständige Glückseligkeit. Weder gibt es jemand, der diese empfindet, noch gibt es jemand, der diese nicht empfindet. Gewiss kann man sie nicht als „eine Substanz mit fünf Wirkungen“ bezeichnen. Schon gar nicht ist die Rede davon, dass das Nirvana alle Phänomene unterdrückt und fesselt, sodass sie nie mehr entstehen. Dies wäre eine Verleumdung der Buddhalehre.[5]
Zhi Dao kam durch Huinengs Unterweisung zum großen Erwachen. Er war zuvor in der dualistischen Sicht verfangen. Ein Erwachter hingegen hat weder Anhaftung an einem formhaften, weltlichen Ich (welches Leiden erfährt), noch an einem heiligen Dharmakörper (der die Glückseligkeit des Nirvana empfindet). Er verfängt sich in keines dieser Extreme: weder ist alles leer noch nicht leer, weder leidvoll noch glückselig. Auch hegt er keinen Geist von Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Das wahrhaftige Wesen der Soheit wandelt sich nicht, aber wirkt uneingeschränkt je nach Umständen. Auch hegt er dabei nicht den Gedanken an ein Subjekt, welches Wirkungen entfaltet. Ein solcher Gedanke behindert die Wirkung des Urwesens. Das wäre eine differenzierte Betrachtung: ein Ich, und äußere Objekte. Es heißt ja: der undifferenzierte Sinn ist der wahre Sinn. Dennoch hat man auch keinen Gedanken über einen undifferenzierten Sinn zu hegen, ansonsten ist es nicht mehr der undifferenzierte Sinn.
Dazu ziehen wir wieder Zitate vom Erhabenen Lehrer des Weges der Einheit heran, um Huinengs Unterweisung mit unserem Praxisweg in Verbindung zu stellen:
Zu befreien hat man sich von der Fesselung durch das Karma, das aus der Verblendung entstanden ist, zu erlösen hat man sich von den Früchten des Leidens aller Daseinsbereiche. Durchschaue alles, begreife die weltlichen Unzulänglichkeiten, bringe dich stets gedanklich zur Ruhe. Sowohl bei Ruhe als auch bei Aktivität: sehe und erkenne immer aus dem natürlichen Wesen heraus. Erledige deine Angelegenheiten und kehre danach wieder zur Ruhe und Reinheit zurück! So ist man nicht fern vom Erblicken des Urwesens.[6]
Urwesen, Geist und Körper stellen allesamt die Leerheit dar. Alles ist somit leer. Verstehe aber die Leerheit nicht falsch. In dem Moment vor dem Entstehen des Gedankens im Geiste ist es das Dao, das ursprüngliche Wesen. Aber daraus entfalten sich so viele Gedanken. Ist es dann leer? [7] In dem Moment, wo der Einführende Meister euer geheimes Portal aktivierte, sagte man euch, ihr solltet das Licht in der Mitte anschauen. Was habt ihr da gesehen? Was habt ihr dabei gedacht? Nichts? Wenn nichts, dann war alles drin. Leere ist gleich Fülle, Fülle ist gleich Leere. So wundersam ist die Sache.[8] Haftet ihr daran, dann wird euer Geist eng. Lässt ihr alles los, dann füllt ihr das leere All, das alles umfasst. Lasst euch daher nicht durch die illusorischen und trügerischen Dinge einschränken. Schafft ihr es, euren Geist leer zu machen, dann werdet ihr den größten Reichtum der Welt erlangen.[9]
Dazu eine Anekdote:
Es war einmal ein Universitätsprofessor, der zwei Assistenten betreute. Der Eine war ein Genie, der Bestnoten in allen Fächern aufweisen konnte, der Andere war durchschnittlich und in keinem Fach herausragend. Sie erhielten nun jeweils ein Forschungsthema und begannen mit ihren Forschungsarbeiten. Das Genie kam wie erwartet sehr schnell voran und zeigte bald hervorragende Forschungsergebnisse. Der Andere wiederum war sehr langsam unterwegs und machte nur täglich fleißig seine Untersuchungen und schrieb Berichte.
Drei Jahre waren vergangen. Das Genie sagte zum Anderen: „Ich machte zwar gute Fortschritte, aber der Professor gibt immer nur so schwammige Anweisungen, die mir nicht weiter helfen. Da verschwende ich wohl nur meine Zeit. Ich werde die Arbeit daher aufgeben. Und du?“ Der Andere lächelte und sagte nichts dazu. Bald geschah es, dass das Genie wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Professor die Forschungsarbeit aufgab und das Institut verließ.
Nun waren zehn Jahre vergangen. Der durchschnittliche Forscher hat durch seine unermüdliche Arbeit endlich seine Arbeit veröffentlicht. Diese erschütterte die Welt der Wissenschaft und er errang damit hohen Ruhm. Bei der Feier für seinen Erfolg fragten ihn seine Kollegen nach dem Schlüssel seines Erfolges. Abgesehen von der Unterstützung aller Kollegen, wofür er dankbar war, erzählte er eine Geschichte aus der Mythologie, die er als Kind von der Mutter gehört hat und sein Lebensprinzip wurde:
Vor langer Zeit, da ließ Gott im Himmel einen Seil auf die Erde herunterhängen und sagte zu den Menschen: „Wer es schafft, an diesem Seil hinauf zu klettern, ohne herum zu schauen, wird einen großen Schatz erhalten.“ So begannen die Menschen am Seil zu klettern. Der erste, der etwa 500m geschafft hat, kam in den Sinn, nach unten zu schauen, um zu sehen, wie hoch er war. Kaum schaute er nach unten, rutschten seine Hände am Seil aus, und er fiel hinab. Ein anderer war schon auf der Höhe von 10 000m und wollte schauen, wie weit es noch nach oben geht. Kaum schaute er nach oben, rutschte er ebenfalls aus und fiel hinunter.
So sind fast alle abgestürzt. Nur einer hat es geschafft, weder nach oben noch nach unten zu schauen, und hatte nur eine Sache im Sinn, nämlich einfach nur konzentriert zu klettern. So vergingen Tage und Jahre, und er errang seinen Schatz.
[1] 僧志道。广州南海人也。请益曰。学人自出家。览涅槃经。十载有余。未明大意。愿和尚垂诲。师曰。汝何处未明。曰。诸行无常。是生灭法。生灭灭已。寂灭为乐。于此疑惑。
[2] 师曰。汝作么生疑。曰。一切众生皆有二身。谓色身法身也。色身无常。有生有灭。法身有常。无知无觉。经云。生灭灭已。寂灭为乐者。不审何身寂灭。何身受乐。若色身者。色身灭时。四大分散。全然是苦。苦。不可言乐。若法身寂灭。即同草木瓦石。谁当受乐。又法性是生灭之体。五蕴是生灭之用。一体五用。生灭是常。生则从体起用。灭则摄用归体。若听更生。即有情之类。不断不灭。若不听更生。则永归寂灭。同于无情之物。如是。则一切诸法被涅槃之所禁伏。尚不得生。何乐之有。
[3] 师曰。汝是释子。何习外道断常邪见。而议最上乘法。据汝所说。则色身外别有法身。离生灭求于寂灭。又推涅槃常乐。言有身受用。斯乃执吝生死。耽着世乐。
[4] 汝今当知。佛为一切迷人认五蕴和合为自体相。分别一切法为外尘相。好生恶死。念念迁流。不知梦幻虚假。枉受轮回。以常乐涅槃。翻为苦相。终日驰求。
[5] 佛愍此故。乃示涅槃真乐。刹那无有生相。刹那无有灭相。更无生灭可灭。是则寂灭现前。当现前时。亦无现前之量。乃谓常乐。此乐无有受者。亦无不受者。岂有一体五用之名。何况更言涅槃禁伏诸法。令永不生。斯乃谤佛毁法。
[6] 解脱二字,解惑业之系缚,脱三界之苦果,[…] 看破一切,能将世情酸甜苦辣觉出,加之时常静念,一动一静,皆在性上见解,事来即应,事去即净,则离见性不远矣,[…]
[7] 所以呢!这些性、心、身,它的一个总结合,就是一个「空」,这个空就代表一切。注意,虚空不是空,你们常说的「心头、心头」,这个心还没有起念头的那一刻,那就是道了,那就是本体。你们常说,你的念头很多,念头念头,这一念还没有起来之前,那个就是本性,那个是不是「空」的?
[8] 所以点传师在给你们点道的时候,叫你眼看佛灯!那时候你看到了什么?你想到了什么?(没有)没有的话,那就是「有」了,所以空就是有,有就是空,就是那么妙。
[9] 你如果执着它,那心量就小,你如果不执着它,那宇宙虚空就是有,这些梦幻的东西,不能将心统一的,你如果能够时时把心虚空出来,腾出来,那么你就是世间最富有的。
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