Podiumsutra – (Kap. 2 (2): die vollkommene Weisheit zum Übersetzen ans andere Ufer

Dharmaschatz Podiumsutra d. 6. Ahnlehrers (Kap. 2-2): die vollkommene Weisheit zum Übersetzen ans andere Ufer

— Begleitlektüre zum wöchentlichen Drei Schätze Retreat am 16.01.2020

Im letzten Beitrag behandelten wir die Bedeutung von Maha, also „groß“ im Sinn von großmütig. Als nächstes spricht Huineng über Prajna, die „Weisheit“, und Paramita, das „Übersetzen zum anderen Ufer“:

 

Was heißt Prajna? Prajna bedeutet auf Chinesisch die Weisheit. An allen Orten, zu allen Zeiten, keinen törichten (verblendeten) Gedanken zu haben und stets die Weisheit praktizieren. So ist es die Praxis von Prajna. Ein törichter (verblendeter) Gedanke unterbricht Prajna, ein weiser Gedanke bringt es (wieder) hervor. … Prajna hat keine Formen, die weisen Gedanken stellen es dar. [1]

 

Der „An allen Orten, zu allen Zeiten, keinen törichten Gedanken haben und stets die Weisheit praktizieren“ kann als Leitsatz unserer Übung dienen. Allerdings könnte man sich die Frage stellen: „Was ist ein törichter und was ist ein weiser Gedanke?“ Diese erkennen zu können macht die Praxis aus. Grundsätzlich gilt es: ein törichter Gedanke schafft eine Anhaftung und verstärkt diese, er produziert Folgegedanken und damit noch mehr Karma. Ein weiser Gedanke ist die Manifestation des natürlichen Wesens und basiert auf keiner Anhaftung. Im Gegenteil: Dieser ermöglicht des Erkennen der Anhaftung und hilft diese loszulassen, es produziert keine Folgegedanken, und man erlöst sich vom Karma.

Der Satz „Prajna hat keine Formen, die weisen Gedanken stellen es dar.“ erinnert uns an die Aussagen vom 5. Ahnlehrer Hongren: „Kennt man nicht den natürlichen Sinn, ist es unnütz das Dharma zu lernen.“ und „Der natürliche Sinn ist der wahrhaftige Sinn.“ Der natürliche Sinn ist auch der Weisheitssinn, somit die authentische Wirkung des natürlichen Wesens. Hegt man keine weise Gedanken, dann befindet man sich in der Verblendung. Entfaltet sich die Weisheit, ist man beim natürlichen Sinn.

 

Was heißt Paramita? Das ist Sanskrit, im Chinesisch heißt es „Übersetzen zum anderen Ufer“, und bedeutet die Erlösung von Entstehen und Vergehen. Haftet man an den Zuständen an, ist es wie das Wasser, das Wellen schlägt. Das nennt man „das diesseitige Ufer“; lässt man die Anhaftungen los, gibt es kein Entstehen und Vergehen. Es ist wie das Wasser, das ungehindert fließt. Das nennt man „das andere Ufer“, deshalb bezeichnet man es als Paramita. [2]

 

So einfach kann das Ziel der buddhistischen Praxis erklärt sein. Es geht also um die Erlösung von Entstehen und Vergehen. Das ist der Fall, wenn man an keinen Zuständen angehaftet bleibt. Tut man dies, steht man auf diesem Ufer. Lässt man die Anhaftung los, ist man schon an dem anderen Ufer. Das Boot, das einen dorthin übersetzt, ist also Prajna, die Weisheit. Die Weisheit ist somit die Fähigkeit, eine Anhaftung erkennen und loslassen zu können. Gelingt dies einem nicht, dann schlägt das Wasser Wellen, d. h. der Geist ist betrübt. Lässt man es los, ist das Wasser ohne Blockade und fließt ungehindert im natürlichen Lauf. Das Erwachen ist somit keine leblose Stille, sondern lebendige, natürliche Entfaltung der Weisheit.

 

Edle Gefährten, der weltliche Mensch ist gleich den Buddha, die „Geistestrübungen“ (Sanskrit: Kleshas) sind gleich das Erwachen. In einem Gedanken verblendet ist man ein weltlicher Mensch, im Nächsten erwacht ist man ein Buddha. In einem Gedanken an den Zuständen angehaftet ist es die „Geistestrübung“, im Nächsten diese losgelassen ist es das Erwachen. [3]

Buddha zu werden oder das Erwachen klingt damit so einfach. Geistestrübungen sind genauso Phänomene, die aus dem natürlichen Wesen entstanden sind. Nur basieren diese auf die Verblendung. Diese sind so wie Handlungen in einem dunklen Raum: Man handelt, ohne zu erkennen, welche Folgen es haben wird. Schaltet man das Licht ein, erkennt man sie, und man wird diese unterlassen.

 

Einfach mit der großen Weisheit die „Geistestrübungen“ durchbrechen! Mit dieser Praxis erlangt man bestimmt das Buddhatum und das Dao. Die drei Geistesgifte (Gier, Hass, Verblendung) verwandelt man (somit) in Tugendhaftigkeit, Geistesstabilität und Weisheit.[4]

 

Es gibt verschiedene Kategorisierungen von den Geistestrübungen. Am bekanntesten sind wohl die drei Geistesgifte „Gier, Hass und Verblendung“. Erkennt man die Gedanken, die in diesen Giften wurzeln, und leistet ihnen nicht Folge, wandelt man sie in „Tugendhaftigkeit, Geistesstabilität und Weisheit“ um. Deshalb: Ein Gedanke verblendet ist man ein weltlicher Mensch, ein Gedanke erwacht ist man der Buddha. Somit geht es bei der buddhistischen Praxis nicht darum, komplett leer im Geiste zu werden, sondern die Umwandlung der gewohnten Sicht und Denkweise, die auf „giftigen“ Wurzeln basieren, hin zur Manifestation des erwachten Wesens. Prajna ist somit die Fähigkeit, falsche Sicht und Gedanken zu erkennen und diese zu verwandeln. Somit erlöst man sich vom Karma, indem man die Ursache-Folge-Wirkung an der Wurzel behandelt: Ändert sich die Ursache, ändert sich die Folge. Führen die giftigen Wurzel zum Samsara, dem Kreislauf von Reinkarnationen im ständigen Werden und Vergehen, bringen die Guten zum Erwachen und Buddhatum, die Erlösung vom Samsara, vom Werden und Vergehen. Ein Zitat aus dem Diamant-Sutra sagt dazu:

Vergangener Geist ist nicht zu ergreifen.
Gegenwärtiger Geist ist nicht zu ergreifen.
Zukunftiger Geist ist nicht zu ergreifen. [5]

Das heißt, sämtliche Phänomene (Gedanken, Sinnesregungen, etc.) soll man einfach nicht folgen, aber auch nicht abweisen. Gelingt einem dies, ist es das Wirken des natürlichen Wesens, das einem hilft, die Anhaftungen loslassen. Die Weisheit wird sich entfalten. Ein weiteres Zitat aus dem Podiumsutra fasst es zusammen:

Eine einzige Lampe kann die tausendjährige Dunkelheit beenden;
Ein einziger weiser Gedanke kann die zehntausendjährige Dummheit aufheben. [6]

Hierzu eine Anekdote:

Ein junger Mann zieht in eine neue Stadt und fragt einen Einheimischen: „Wie ist denn diese Stadt? Sind die Menschen hier freundlich?“ Der Einheimische fragt den Jungen: „Wie war denn der Ort, wo du hergekommen bist? Waren die Menschen dort freundlich?“ Der Junge seufzt und sagt: „Ach, der Ort ist furchtbar, schmutzig und unordentlich, und die Menschen sind immer feindlich zueinander eingestellt und streiten ständig! Ich will niemals mehr dorthin.“ Der Einheimische sagt daraufhin: „Junger Mann, du wirst sehen, unsere Stadt und die Menschen hier werden nicht anders sein!“

 Der Einheimische trifft später einen anderen jungen Mann, der ebenso gerade in die Stadt gekommen ist. Der Junge fragt ihn ebenfalls, wie denn die Stadt und die Menschen seien. Der Einheimische fragt ihn auch, wie denn sein Herkunftsort und die Menschen dort seien. Der Junge antwortet begeistert: „Der Ort ist schön, und die Menschen dort sind alle so freundlich und hilfsbereit. Mir hat es dort sehr gut gefallen. Wenn ich nicht wegen dem Studium umziehen musste, würde ich keinesfalls von dort wegziehen.“ Der Einheimische sagt zu ihm: „Du wirst sehen, diese Stadt wird genau so schön und die Menschen ebenfalls freundlich und hilfsbereit!“

Einer, der beide Gespräche gehört hat, fragt ihn verwundert: „Warum gibst du denn zwei ganz unterschiedliche Antworten zur gleichen Frage!“ Der Einheimische sagt: „Die Wahrnehmung der Umgebung ist die Wiederspiegelung des Geisteszustandes. Jemand, der im Inneren finster ist, wird kein Licht sehen können. Egal wohin man kommt, was man sieht, ist stets seine innere Welt. Ist man voll Licht im Herzen, öffnet sich die Welt für ihn.“

Übersetzen zum anderen Ufer

Was heißt Paramita? Das ist Sanskrit, im Chinesisch heißt es „Übersetzen zum anderen Ufer“, und bedeutet die Erlösung von Entstehen und Vergehen.

 

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[1] 何名般若?般若者,唐言智慧也。一切处所,一切时中,念念不愚,常行智慧,即是般若行。一念愚即般若绝;一念智即般若生。…… 般若无形相,智慧心即是。

hé míng bān ruò ?bān ruò zhě ,táng yán zhì huì yě 。yī qiē chù suǒ ,yī qiē shí zhōng ,niàn niàn bù yú ,cháng háng zhì huì ,jí shì bān ruò háng 。yī niàn yú jí bān ruò jué ;yī niàn zhì jí bān ruò shēng 。…… bān ruò wú xíng xiàng ,zhì huì xīn jí shì 。

[2] 何名波罗蜜?此是西国语,唐言到彼岸,解义离生灭。著境生灭起,如水有波浪,即名为此岸;离境无生灭,如水常通流,即名为彼岸,故号波罗蜜。

hé míng bō luó mì ?cǐ shì xī guó yǔ ,táng yán dào bǐ àn ,jiě yì lí shēng miè 。zhe jìng shēng miè qǐ ,rú shuǐ yǒu bō làng ,jí míng wéi cǐ àn ;lí jìng wú shēng miè ,rú shuǐ cháng tōng liú ,jí míng wéi bǐ àn ,gù hào bō luó mì 。

[3] 善知识,凡夫即佛,烦恼即菩提。前念迷即凡夫,后念悟即佛。前念著境即烦恼,后念离境即菩提。

shàn zhī shí ,fán fū jí fó ,fán nǎo jí pú tí 。qián niàn mí jí fán fū ,hòu niàn wù jí fó 。qián niàn zhe jìng jí fán nǎo ,hòu niàn lí jìng jí pú tí 。

[4] 当用大智慧打破五蕴烦恼尘劳,如此修行,定成佛道,变三毒(贪嗔痴)为戒定慧。

dāng yòng dà zhì huì dǎ pò wǔ yùn fán nǎo chén láo ,rú cǐ xiū háng ,dìng chéng fó dào ,biàn sān dú (tān chēn chī )wéi jiè dìng huì 。

[5] 《金刚经》:过去心不可得,现在心不可得,未来心不可得。

《jīn gāng jīng 》:guò qù xīn bù kě dé ,xiàn zài xīn bù kě dé ,wèi lái xīn bù kě dé 。

[6] 《六祖坛经 忏悔品第六》:一灯能除千年暗,一智能灭万年愚。

《liù zǔ tán jīng  chàn huǐ pǐn dì liù 》:yī dēng néng chú qiān nián àn ,yī zhì néng miè wàn nián yú 。

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Kategorien:Buddhismus, Chan- (Zen-) Buddhismus, Podiumsutra 六祖坛经

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