Beitragsreihe: Wie kam der Buddhismus nach China?
Kap. 1: Die Anfänge der chinesischen Philosophien und Religionen
Teil 1: Konzi (Konfuzius) und der Konfuzianismus
Teil 2: Laozi (Laotse) und der Daoismus
Teil 3: Mengzi (Mencius) im „Streit der Hundert Schulen“
Teil 4: Zhuangzi, der Wahrhaftige vom Südlichen Blütenbland
Teil 5: Das Wechselspiel zwischen Legalismus, Konfuzianismus und Daoismus
Teil 7: Huainanzi, das Lebenselixier und die „Unsterblichkeit“
Teil 8: Die Anfänge des Buddhismus in China
Teil 9: Mouzi, der erste chinesische Buddhist?
Kap. 2: Die Durchsetzung des Buddhismus in der Wei- und Jin-Zeit (220-420 n. Chr.)
Teil 1: Die Entwicklung des religiösen Daoismus und der daoistischen Elixierschule
Nach dem Zerfall des Han-Reiches im Jahr 220 n. Chr. verfiel China in mehrere Jahrhunderte der politischen Unruhe und ständiger kriegerischen Auseinandersetzungen. Zunächst hielten drei Mächte das politische Gleichgewicht. Das war die Zeit der sog. Drei Reiche, wobei das Wei-Reich das Zentralgebiet des Reichs der Mitte beherrschte und die stärkste Macht war. Im Jahr 265 wurde die Kaiserfamilie Cao durch einen Putsch von der mächtigen Familie Sima gestürzt, welche daraufhin die Jin-Dynastie ausrief. In 280 warf das Jin-Reich die anderen zwei Reiche, das Shu-Reich im Westen und das Wu-Reich im Süden, nieder und vereinigte China wieder zu einem Einheitsstaat. In 311 fielen fünf Nomadenvölker in Nordchina ein und besetzten das Land. Dies markierte das Ende des westlichen und den Beginn des östlichen Jin-Reiches. Das Kaiserhaus samt Beamten flüchtete nach Südchina. Ähnlich wie in Europa nach dem Zerfall des weströmischen Reiches fand in China die große Völkerwanderung statt. Zahlreiche Han-Chinesen mussten die als die Wiege der chinesischen Zivilisation geltenden Gebiete um den Gelben Fluss verlassen und nach Südchina flüchten. Der Mittelpunkt der chinesischen Zivilisation verlagerte sich in die Region südlich des Yangtse Flusses. Das östliche Jin-Reich konnte sich im Süden bis 420 halten, bis das Kaiserhaus von Militärmächten gestürzt wurde. Seitdem wechselten sich kurzlebige Dynastien sowohl in Nordchina als auch in Südchina ab. Deshalb bezeichnet man diese Epoche als die Zeit der Nord-Süd-Dynastien. Diese Zeit der Unruhe war jedoch eine Zeit bedeutsamer Entwicklungen in Kunst und Kultur.
Unter dem Volk entwickelte sich gegen Ende der Han-Zeit ein religiöser Daoismus namens Taiping Dao 太平道,der Weg des großen Friedens, welcher durch Zauber und Magie Krankheiten heilte und Unheil abwendete. Der Gründer Zhang Jiao 张角sammelte Scharen an verbitterten armen Bauern um sich und führte eine Bauernrebellion an, welche das Reich erschütterte. Zwar konnte diese Rebellion militärisch niedergeschlagen werden, aber die Han-Dynastie war nicht mehr in der Lage, das Reich wieder zu vereinen. Einzelne Militärs teilten das Reich unter sich auf. Der religiöse Daoismus wirkte jedoch weiter. Es entwickelte sich ein daoistischer Orden um den sog. Himmelsmeister Zhang 张天师 zhang tian shi, namentlich Zhang Daoling 张道陵 (34-156 n. Chr.), heraus. Dieser verehrte Laozi und die legendären Ahnen als Gottheiten. Dieser Orden im Gebiet des Long-Hu-Berges (Drachen-Tiger-Berg) in der Provinz Jiangxi im Süden Chinas setzte sich bis heute fort und nahm eine zentrale Rolle im chinesischen Daoismus ein. Aus dieser Schule entwickelten sich mehrere Richtungen des religiösen Daoismus. Der Titel des Himmelmeisters gilt neben dem Herzogstitel für die Familie von Kongzi als symbolträchtig für die chinesischen Kultur.[1]
Während der Konfuzianismus nur noch die Hülle der gesellschaftlichen und politischen Struktur bildete, setzten die Hochintellektuellen des Landes sich mit den daoistischen Werken „Laozi“, „Zhuangzi“ und „Yijing“ auseinander. Wichtige Kommentare wurden zu diesen alten daoistischen Schriften verfasst. Neben dem religiösen Daoismus, welcher sich mehr mit Zeremonien und Symbolen mit magischer Wirkung beschäftigte, entwickelte sich auch die Elixierschule weiter, welche das Transzendieren des menschlichen weltlichen Daseins hin zum heiligen, göttlichen Dasein anstrebte. Der Praxisweg umfasste neben der Alchemie und der traditionellen chinesischen Medizin vor allem intensive Meditationsübungen. Die Alchemie diente zur Herstellung von sog. äußeren Elixieren 外丹 wai dan, deren Einnahme die Unsterblichkeit des physischen Körpers bezweckte. Dieses Streben nach der Unsterblichkeit wich jedoch von der Philosophie des Laozi und Zhuangzi ab, welche den Tod als Rückkehr zur Natur betrachteten.
Die Kultivierung des inneren Elixiers 内丹 nei dan erfolgte durch die Meditationsübung. Damit sollte die Manifestation des Urgeistes erreicht werden, welche sich aus der Leerheit des Dao entfaltet. Laozi und Zhuangzi haben zwar die Pflege des Qi zur Kultivierung des physischen und geistigen Lebens immer wieder erwähnt, aber sind nicht systematisch auf die Technik der Übung eingegangen. Ihre Lehren bildeten somit die Grundsätze und Grundlagen für die Weiterentwicklung der Elixierschule. Erst ab der Han-Zeit tauchten wichtige Schriften auf, welche diese Übung systematisch beschrieben.
Ein wichtiger Wegbereiter dieser Schule war Wei Boyang 魏伯阳, der um etwa 147-167 n. Chr. lebte und ein daoistischer Meister noch aus der Han-Zeit war. Von seinem Leben ist kaum etwas überliefert. Er wurde bekannt durch das ihm zugeschriebene Buch „Zhouyi Cantong Qi 周易参同契“, wörtlich „Traktat zur Einheit der Drei des Buches der Wandlung“. Dieses stellt eine der wichtigsten Schriften der daoistischen Elixierschule dar. Das Werk beschreibt die daoistische Meditationstechnik zur Kultivierung des Elixiers nach dem System der Hexagramme des Zhouyi (Yijing), des Buches der Wandlung. „Die Einheit der Drei“ steht für die Vereinigung 1. des Systems des Buches der Wandlung, 2. der Lehre von Gelben Kaiser/Laozi sowie 3. der Praxis zur Kultivierung des inneren Elixiers. Ein späterer wichtiger Vertreter der Elixierschule war Ge Hong 葛洪 (283-343), dessen Werk „Bao Pu Zi“, also „Der Meister, der die Einfachheit bewahrt“, ein wichtiger Leitfaden für die Elixier-Praxis und auch für die traditionelle chinesische Medizin wurde. Die Meister der Elixierschule waren daher immer auch TCM Ärzte. Ihre Lehre und Praxis prägten daher die Lebensweise der Chinesen maßgeblich.
Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis wurden immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen dem Daoismus und dem Buddhismus gesehen. Es kam zwischen den beiden Schulen zu einer gegenseitigen Assimilation der religiösen Vorstellungen, der Meditationstechnik und philosophischen Ansichten. Im Laufe der Zeit fand man fast idente Beschreibungen der Vorstellung über den Tod und den Reinkarnationskreislauf in den daoistischen Schriften wie dem Buddhismus. Die von den Meistern der Elixierschule beschriebenen Meditationszustände fanden Gleichklang bei den buddhistischen Meistern. Die philosophischen Ansichten von Laozi und Zhuangzi ermöglichten den Zugang der Lehre des indischen buddhistischen Meisters Nagarjuna zum Daoismus und führte zur Etablierung des Mahayana Buddhismus in China. Aber bevor es so weit kam, dass die Buddhisten auf Augenhöhe mit den Daoisten und den Konfuzianern debattieren konnten, hatte der Buddhismus in China nach der Han-Zeit noch einige Entwicklungsschritte zu machen. Dazu gehört die Etablierung der Mönchsregel zur Bildung und Regelung der buddhistischen Gemeinschaften. Mit den Übersetzungen der buddhistischen Mönchsregeln aus Indien wurde eine systematische Ordinierung und ein geregeltes Mönchsleben in China erst möglich.
–> Fortsetzung folgt: Teil 2: Die Einführung der buddhistischen Mönchsregeln in China
[1] Zusammen mit Kongde Cheng, dem 77. Titelträger des Stammes des heiligen Lehrers Kong, wurde der 63. Nachfolger, Enpu Zhang 张恩溥 (1894-1969) der Nachfahren des Himmelmeisters Zhang des daoistischen Ordens am Long-Hu-Berg, als symbolischer Führer des Daoismus, aufgefordert, nach Taiwan zu flüchten.
Kategorien:Buddhismus China, Daoismus / Taoismus
Kommentar verfassen