Der Streit zwischen den Daoisten, Buddhisten und Konfuzianern

Beitragsreihe: Wie kam der Buddhismus nach China?

Kap. 1: Die Anfänge der chinesischen Philosophien und Religionen

Teil 1: Konzi (Konfuzius) und der Konfuzianismus

Teil 2: Laozi (Laotse) und der Daoismus

Teil 3: Mengzi (Mencius) im „Streit der Hundert Schulen“

Teil 4: Zhuangzi, der Wahrhaftige vom Südlichen Blütenbland

Teil 5: Das Wechselspiel zwischen Legalismus, Konfuzianismus und Daoismus

Teil 6: Die Etablierung des monarchistischen Konfuzianismus als Staatsideologie ab der 2. Jh. v. Chr.

Teil 7: Huainanzi, das Lebenselixier und die „Unsterblichkeit“

Teil 8: Die Anfänge des Buddhismus in China

Teil 9: Mouzi, der erste chinesische Buddhist?

Kap. 2: Die Durchsetzung des Buddhismus in der Wei- und Jin-Zeit (220-420 n. Chr.)

Teil 1: Die Entwicklung des religiösen Daoismus und der daoistischen Elixierschule

Teil 2: Die Einführung der buddhistischen Mönchsregeln in China

Teil 3: Der Streit zwischen den Daoisten, Buddhisten und Konfuzianern

Zwischen den Daoisten und Buddhisten fanden im Laufe der Wei-Jin-Zeit (220-420 n. Chr.) rege Streitgespräche statt. Die Schriften zeigen jedoch weniger inhaltliche Diskussionen über die Lehren selbst, sondern es ging mehr darum, wer von den beiden, Laozi oder Buddha Gautama, zuerst die Lehre kannte und lehrte. Um 300 herum tauchte ein Buch namens „Der Klassiker über Laozis Wirken in Indien 老子化胡经 lao zi hua hu jing“ auf, worin Laozi als Meister mit übernatürlicher Kraft beschrieben wurde und schon vor Buddha Gautamas Geburt in zahlreichen Staaten westlich von China gelehrt habe. Er sollte seinen Schüler Yinxi 尹喜 angewiesen haben, sich in Indien durch die Geburt in einem Fürstenhaus zu manifestieren, um dort den Weg bis zum Nirvana zu lehren und zu zeigen. Dieser war der Buddha Gautama. In diesem Klassiker steht es so geschrieben:

Laozi sagt: Der Buddha ist die Manifestation des Yinxi, der zeitweilig dort zu lehren hat. Zwar hat er nicht das Höchste erlangt, ist aber bereits ein Heiliger. [1]

Die Schilderungen in diesem Klassiker sind hauptsächlich mystischer Art. Yinxi sollte in der Lage gewesen sein, sich nach Belieben zu verwandeln. Er konnte sich in den Leib der Mutter Gautamas „einschleichen“ und als ihr Kind geboren werden. Dass der Buddha noch nicht das Höchste erlangt haben sollte, stellte man ihn wohl eine Stufe niedriger als Laozi. Laozi als göttliches Wesen wanderte demzufolge zwischen den himmlischen und irdischen Welten hin und her und leitete allerorts Belehrungen an. Zu seinem Schüler zählte auch Kongzi. Diesem lehrte er den Weg zur Praxis der Menschlichkeit und der Rechtschaffenheit. In diesem Klassiker sahen die Daoisten den schriftlichen Beweis, den Buddhisten und den Konfuzianern überlegen zu sein. Die Buddhisten zweifelten an der Echtheit dieses Werkes. Zeitweilig erklärten buddhistisch orientierte Staatsoberhäupter das Buch für gefälscht. Dennoch deklarierten daoistisch orientierten Kaiser dieses immer wieder für echt und setzten es als Mittel gegen die Buddhisten ein.

Auf der anderen Front hatten die Buddhisten nach wie vor gegen die konservative konfuzianische Macht zu kämpfen. Charakteristisch war der Streit darüber, ob buddhistische Mönche die konfuzianische Etikette zur Ehrung von Fürsten (Kotau) einzuhalten haben oder nicht. Die bekannteste Verteidigung von der buddhistischen Seite war das Werk des chinesischen Mönches Huiyuan (334-416): „Samanas haben nicht die Fürsten rituell zu ehren“. Er verfasste diese Schrift als Antwort auf den kaiserlichen Erlass, welcher vorschrieb, dass die buddhistischen Mönche die konfuzianische Etikette einzuhalten haben. Daran kann man erkennen, dass es einen starken kulturellen Widerspruch zwischen den buddhistischen Mönchsregeln und der herrschenden konfuzianischen Tradition gegeben hat. Der kaiserliche Erlass begründete die Vorschrift damit, dass die Etikette der Kultivierung der Menschen und dadurch der Etablierung der guten Sitte diente. Demgemäß sollte man den Fürsten aus Dankbarkeit und Respekt für seine Verdienste mit dem Kotau begrüßen. Huiyuan erwiderte zuerst mit einer Zustimmung des Zweckes der Rituale:

„Die Schule der Ehrerbietung (Etikette) dient der Pflege der Dankbarkeit bei den weltlichen Menschen, sodass sie es nicht vernachlässigen, Gnade mit Schicklichkeit und Respekt zu vergelten.“ [2]

Dann brachte er eine Annäherung des Buddhismus an die konfuzianische Schule:

„Deshalb pflegen auch die Buddhisten die Liebe zu den Eltern und die Ehrerbietung zum Fürsten. Auch wenn sie die Tradition und die Haartracht verändert haben, folgen sie dem Mandat des Fürsten. […] Auch der Buddhismus legt Wert auf den Beitrag zur Gesellschaft, um so dem Fürsten dabei zu helfen, Ordnung zu schaffen.“ [3]

Mit solchen Annäherungen gehört Huiyuan zu jenen Wegbereitern der Entwicklung des chinesischen Buddhismus. Es geht nicht nur darum, zur eigenen Erlösung abgeschieden zu praktizieren, sondern zur Hilfe aller Wesen aktiv im weltlichen Leben seinen Beitrag zu leisten. Aber Huiyuan sah dennoch auch die Notwendigkeit des Mönchstums für eine tiefere Praxis:

„Der Nicht-Weltliche (Mönch) ist nur Gast in der weltlichen Welt und zeigt seine Spuren nicht in den weltlichen Dingen. Seine Schule besteht darin, sich keine karmischen Belastungen durch das Anhaften an diesen Körper anzuhäufen. Dieser Weg ist die Kehrseite des Weltlichen. Sein Gelübde beginnt mit der Änderung der Haartracht (kahl rasiert) und der Bekleidung (Mönchsrobe). Er verwirklicht seinen Willen durch die Abgeschiedenheit und realisiert seinen Weg jenseits der weltlichen Sitten.“ [4]

Aber er betonte auch, dass der Zweck dieser Praxis dem konfuzianischen Ideal entsprach:

„So kann man sich vor dem Verfall in die weltlichen Belange hüten und die über Äonen kultivierte Wurzel des Bösen entfernen. […] Realisiert man die vollkommene Tugend, dann kommt diese nicht nur den Angehörigen und Verwandten zugute, sondern sie fließt wie Gewässer über die weite Welt. Er ist zwar kein Fürst oder Herzog, sein Verdienst wird aber königlich sein. Das gemeine Volk wird von ihm profitieren. Daher verstößt er innerhalb der Familie nicht gegen die Kindespietät und vor dem Fürsten nicht gegen die Ehrerbietung.“ [5]

Die Etikette war jedoch nicht das einzige Konfliktthema zwischen den Konfuzianern und den Buddhisten. Das Werk „Die Abhandlung der drei Schäden“ des Beamten und kaiserlichen Beraters Zhang Rong 张融 (444-497) listete drei Mängel des Buddhismus auf und fasste die wesentlichen Konfliktthemen zusammen. Als erster Schaden, welcher die Buddhisten anrichteten, war der Schaden am eigenen Körper, nämlich das Kahl-Rasieren der Haare. Diesen Punkt haben wir oben schon abgehandelt. Der zweite Schaden betraf die Familie. In dem man die Familie verließ und abgeschieden lebte, kam man seiner Kindespflicht nicht nach. Dies verstieß gegen das Gebot der Kindespietät. Drittens schädigte man sein Land, indem man nicht mehr arbeitete und so keinen wirtschaftlichen Beitrag mehr an das Land leistete. Stattdessen lebte man von den Almosen und wurde sogar zur Belastung für die Gesellschaft. Vor allem die letzten zwei Punkte führten zeitweilig zur politischen Unterdrückung des Buddhismus in China.

–> Fortsetzung: Teil 4 Die Qingtan-Strömung und die Lehre des Mystischen


[1] 老子曰:佛者,是弟子尹喜托身,一時教化。雖未至極,亦是聖人。——《老子化胡经 授道卷第八》

[2] 使民知其有自然之恩。因嚴以教敬。 […] 故不可受其德而遺其禮。沾其惠而廢其敬。——慧远 《沙门不敬王者论 在家一》

[3] 是故悅釋迦之風者輒先奉親而敬君。變俗投簪者。必待命而順動。[…] 斯乃佛教之所以重資生。助王化於治道者也。——慧远 《沙门不敬王者论 在家一》

[4] 出家则是方外之宾,迹绝于物。其为教也,达患累缘于有身,不存身以息患,[…] 道之与俗反者也。若斯人者,自誓始于落簪,立志形乎变服。是故凡在出家。皆遁世以求其志,变俗以达其道。——慧远 《沙门不敬王者论 在家二》

[5] 夫然,故能拯溺俗于沈流,拔幽根于重劫。远通三乘之津,广开天人之路。如令一夫全德,则道洽六亲,泽流天下。虽不处王侯之位,亦已协契皇极,在宥生民矣。是故内乖天属之重而不违其孝,外阙奉主之恭而不失其敬。 ——慧远 《沙门不敬王者论 在家二》

(Zitate übersetzt von Mingqing Xu mit Korrekturen von Alexander Maurer, Ursula Presslauer, Birgit Seissl und Roland Parth)



Kategorien:Buddhismus China, Daoismus / Taoismus

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