Die Anfänge des Buddhismus in China

Beitragsreihe: Wie kam der Buddhismus nach China?

Kap1.: Die Anfänge der chinesischen Philosophien und Religionen

Teil 1: Konzi (Konfuzius) und der Konfuzianismus

Teil 2: Laozi (Laotse) und der Daoismus

Teil 3: Mengzi (Mencius) im „Streit der Hundert Schulen“

Teil 4: Zhuangzi, der Wahrhaftige vom Südlichen Blütenbland

Teil 5: Das Wechselspiel zwischen Legalismus, Konfuzianismus und Daoismus

Teil 6: Die Etablierung des monarchistischen Konfuzianismus als Staatsideologie ab der 2. Jh. v. Chr.

Teil 7: Huainanzi, das Lebenselixier und die „Unsterblichkeit“

Teil 8: Die Anfänge des Buddhismus in China

Tempel des weißen Pferdes 白马寺,1. buddhistischer Kloster Chinas

Historischer Aufzeichnung zufolge kamen die ersten buddhistischen Mönche im 1. Jahrhundert n. Chr. nach China. So soll im 2. Jahr n. Chr. ein Botschafter des westlichen Nachbarlandes „Da Rou Zhi 大月氏“ dem chinesischen Gelehrten Jing Lu 景庐ein „Buddha-Sutra 浮屠经fu tu jing“ mündlich übermittelt haben. Eine Überlieferung des Sutras kann jedoch nicht gefunden werden. Das Geschichtsbuch „Die Biografien der großen Mönche“ des Mönchs Huijiao 慧皎 (497-554 n. Chr.) erzählt den Anlass zur Errichtung des 1. buddhistischen Klosters in China:

Der Kaiser Han-Ming-Di 汉明帝 (28-75 n. Chr.) träumte in einer Nacht von einer golden leuchtenden, fliegenden Gottheit und fragte am nächsten Tag seine Berater danach. Einer erzählte ihm von einer Gottheit aus dem Westen namens „Buddha“ und empfahl, dessen Jünger im Westen aufzusuchen und nach China zu bringen. Der Kaiser ließ daraufhin Boten nach Westen aussenden, welche zwei buddhistische Mönche – Kāśyapamātanga 摄摩腾 shemeteng und Dharmaratna竺法兰 zhufalan – trafen, die ihnen zurück nach China folgten. Sie brachten viele buddhistische Schriften mit, welche auf einem weißen Pferd transportiert wurden. Deshalb wurde das erste Kloster, welches in der damaligen Hauptstadt des Han-Reiches, Luoyang 洛阳,errichtet wurde, der „Weißes-Pferd-Tempel“ (白马寺bai ma si) genannt. Dort wurde das erste buddhistische Sutra ins Chinesische übersetzt. Dieses Sutra trug die chinesische Bezeichnung „Das Sutra der 42 Abschnitte“ (四十二章经 si shi er zhang jing), welches aus 42 Zitaten aus den Lehrreden Buddha Gautamas bestand und die Grundzüge der Buddhalehre darlegte.[1] Dieser Tempel ist bis heute erhalten geblieben. Das erste Kapitel des „Sutras der 42 Abschnitte“ bestimmte wohl damals das Bild der Chinesen über den Buddhismus:

„Der Buddha sagte: „Sich von der Familie trennen, seinen Geist erkennen und zum Ursprung gelangen, so die Lehre des Nicht-Tuns begreifen. Solch einen Praktizierenden bezeichnet man als Samana (Pali; Sanskrit: Sramana; Asketen oder Bettelmönche). Diese halten 250 Mönchsregeln ein und sind rein im Verhalten. Sie praktizieren die vier wahren Wege und verwirklichen die Arahantschaft (Pali; Sanskrit: Arhat; der Würdige). Ein Arahant kann fliegen und sich verwandeln. Er hat eine Lebensdauer weit über Äonen und kann Himmel und Erde bewegen. […]“ [2]

Diese Vorstellung über übernatürliche Kräfte eines Arahants entspricht wohl dem Traum des Kaisers. Daher wurde der Buddha zunächst als ein Heiliger neben den daoistischen Ahnen wie der Gelbe Kaiser 黄帝huangdi (~3000 v. Chr.) und Laozi 老子 (~571-471 v. Chr.)[3] verehrt. Diese Verehrung blieb vor allem auf den Kaiserhof und die höhere soziale Schicht beschränkt und diente vor allem dem Zwecke des Segens. Durch diese Anlehnung an den esoterischen Daoismus konnte der Buddhismus zunächst in China Fuß fassen. Im Laufe der östlichen Han-Zeit (25 – 220 n. Chr.)[4] kamen noch weitere Mönche aus Indien bzw. den westlichen Nachbarregionen Chinas, welche sich mit der Übersetzung buddhistischer Schriften ins Chinesische befasst haben. Dennoch kam es zu keiner großen Verbreitung des Buddhismus in China, da die heimischen Schulen, Konfuzianismus und Daoismus, vorherrschend waren. Die bisherigen Übersetzungen waren unvollständig und ungenau. Zudem scheint es, dass die Daoisten dazu tendierten, darin technische Ergänzungen zur daoistischen Meditationspraxis zu sehen.

Das erwähnte Werk „Die Biografien der großen Mönche“ berichtet noch über zwei weitere Mönche der Han-Zeit. Der eine ist An Shigao 安世高, der etwa im Jahr 147 nach China kam. Er war ein Prinz aus dem Partherreich, einem Königreich in der westlichen Nachbarregion. Von ihm wird berichtet, dass er ein Experte der Abhidharma Schriften war. Er gilt als Übersetzer der Hinayana-Schriften und erläuterte buddhistische Grundkonzepte wie die 5 Skhandas, 12 Anatayas und 18 Dhatus. Seine Übersetzung des Anapanasati Sutta, welches von der Atembetrachtung handelt, verbanden die Daoisten mit ihrer daoistischen Atemmeditation. An Shigao selbst praktizierte diese Meditationsübung und dürfte sich mit den Daoisten darüber ausgetauscht haben. Die Meditationsübung stellt im esoterischen Daoismus die Entwicklung des inneren Lebenselixiers dar, welches zur Rückkehr zum Dao, dem ursprünglichen Sein führt. In vielen chinesischen buddhistischen Schiften wurde das buddhistische Erwachen mit dem daoistischen Begriff wu-dao 悟道, „dem Begreifen des Dao“, übersetzt. Die Verwendung daoistischer Begriffe zur Übersetzung buddhistischer Schriften wurde gebräuchlich. Es ist nachvollziehbar, dass dies auch rasch zur Annäherung von Buddhismus und Daoismus führte.

Als erster Übersetzer der Mahayana-Schriften wurde Lokaksema 支娄迦谶 zhi lou qie chen (147-?) erwähnt. Er stammte aus dem westlichen Nachbarland Rou-Zhi 月支 und erreichte China etwa im Jahr 167. Er übersetzte die ersten Prajna-Paramita-Texte. Ein Laienschüler der Linie Lokaksemas, namens Zhi Qian 支谦, übersetzte zwischen etwa 220-250 n. Chr. zahlreich weitere Mahayana Sutren wie z. B. das Vimalakirti Sutra, Parinirvana Sutra etc.[5]

In späterer Zeit fanden die Gelehrten Übereinstimmungen zwischen der Lehre von Laozi und Zhuangzi und der Philosophie des Mahayana-Buddhismus. Dadurch setzte sich die buddhistische Lehre erst bei den Intellektuellen des Landes richtig durch. Dieser Prozess begann mit der intensiven Auseinandersetzung mit den Werken von Laozi und Zhuangzi nach dem Ende der Han-Dynastie. Vorher waren nur die Werke der Konfuzianer als amtlich angesehen. Wichtige Gelehrte wie Ma Rong 马融 (79-166 n. Chr.) und Zheng Xuan 郑玄 (127-200 n. Chr.) widmeten sich alle der Interpretation der konfuzianischen Schriften. Die Werke von Laozi und Zhuangzi blieben weiterhin an der Peripherie. Dennoch zeigt sich am Beispiel des chinesischen Gelehrten Mouzi 牟子 (170-? n. Chr.), dass es schon zur Han-Zeit heimische Gelehrte gegeben hat, welche sich offiziell zum Buddhismus bekannten und diesen auch gegen Kritik verteidigten.

-> Fortsetzung folgt: „Mouzi, der erste chinesische Buddhist?“


[1] Aus dem Werk „Die Biografien der großen Mönche“ 高僧传vom Mönch Huijiao 慧皎 (497-554) in der Liang-Dynastie (502-557); Chinesisch: “汉明帝梦一金人于殿廷,以占所梦,傅毅以佛对。帝遣郎中蔡愔、博士弟子秦景等往天竺。愔等于彼遇见摩腾、竺法兰二梵僧,乃要还汉地,译《四十二章经》,二僧住处,今雒阳门白马寺也。”

[2] 佛言:辞亲出家,识心达本,解无为法,名曰沙门。常行二百五十戒、进止清净,为四真道行成阿罗汉。阿罗汉者,能飞行变化,旷劫寿命,住动天地。——《四十二章经》

[3] Genaue Geburts- und Sterbedaten umstritten

[4] Dies ist jene Zeit der Han-Dynastie (202 v. Chr. – 220 n. Chr.) nach der Verlagerung der Hauptstadt von Chang-An im Westen nach Luoyang im Osten. Die westliche Han-Dynastie wurde durch einen Putsch des Adeligen Wang Mang gestürzt, der dann von 9. – 23. n. Chr. als Kaiser der selbsternannten, kurzlebigen Xin-Dynastie regiert hat. Die Nachfahren der Han-Kaiser eroberten die Macht durch einen Bürgerkrieg zurück und setzten die Han-Dynastie fort.

[5] Unterschiedliche Quellen berichten abweichende Zahlen an übersetzten Werken von ihm. Die höchste Anzahl 129 kam vom 历代三宝记 lidai sanbaoji, den „Aufzeichungen über die Drei Schätze seit Generationen“, verfasst von Fei Zhangfang 费长房 aus dem 6. Jh.

(Die Übersetzung der Zitate erfolgte durch Mingqing Xu mit Unterstützung von Alexander Maurer, Ursula Presslauer, Birgit Seissl und Roland Parth)



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